Unis: Neue Nöte mit deutschen Studenten

(c) Die Presse (Eva Rauer)
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In Deutschland sollen tausende Studienplätze abgebaut werden. Das könnte für die heimischen Unis zum Problem werden – und zu einer neuen Diskussion über eine „Österreicherquote“ führen.

Wien. Österreichs Unis blicken angespannt nach Deutschland: Dort sollen in den kommenden Jahren Studienplätze und vereinzelt sogar ganze Studiengänge gestrichen werden. Und zwar, obwohl der Andrang an den deutschen Unis ungebrochen ist.

Wie sich das auf Österreich auswirkt, ist noch unklar. Die Unis machen sich aber bereits über den Ernstfall Gedanken: „Falls es zu Streichungen kommt, dann wird sich das Problem nach Österreich verlagern“, sagt Heinrich Schmidinger, Chef der Universitätenkonferenz. Deutsche Studierende seien „prinzipiell willkommen“, aber „uferlos werden wir sie nicht aufnehmen können“.

Die Zahl der deutschen Studierenden in Österreich hat sich in den vergangenen zehn Jahren bereits verfünffacht: Im Studienjahr 2002/03 waren es 5224 Personen, 2012/13 lag die Zahl bei 25.844. Damit kommt jeder neunte Studierende aus Deutschland. „Sollte tatsächlich eine zusätzliche große Welle nach Österreich kommen, müssen wir die Diskussion über Zugangsbeschränkungen neu führen“, sagt Schmidinger. Dann müssten neben Medizin, Psychologie, Architektur, Informatik, Pharmazie, Biologie, Wirtschaft und Publizistik auch andere überlaufene Fächer beschränkt werden. Welche das sein könnten, wollte er noch nicht sagen.

„Punktuell kann es eng werden“

In Deutschland beschwichtigt man. „Man kann schwer abschätzen, wohin die Studieninteressenten ausweichen“, so Christian Berthold von CHE Consult in Berlin (Centrum für Hochschulentwicklung). Österreich solle sich „nicht fürchten“: Gestrichen würde nur ein kleiner Bruchteil jener mehr als 700.000 zusätzlichen Anfängerplätze, die seit dem Jahr 2007 in Deutschland geschaffen wurden.

Aber auch Berthold gesteht: „Punktuell kann es eng werden.“ In Deutschland sind nämlich auch in stark gefragten Fächern, wie etwa Psychologie, Streichungen geplant. Etwa an der Uni Bremen. Dort bestätigt man der „Presse“, dass über eine Reduktion von 2000 Plätzen nachgedacht wird. Schlagend würde diese Reduktion von zehn Prozent der Studienplätze frühestens im Herbst 2016 werden.

Dass auch Psychologie zu den Wackelkandidaten zählt, könnte in Österreich nicht nur spürbar werden, sondern sogar wehtun. Psychologie war auch hier stets überlaufen. Dann kamen Zugangsbeschränkungen. Mit dem Resultat, dass seither zwar nicht mehr endlos viele an die Uni strömen können, aber der Anteil der Deutschen noch höher ist.

An Schmidingers Uni, der Uni Salzburg, stammen rund 75 Prozent der Psychologieanfänger aus dem Nachbarland. Das veranlasste die Uni-Führung schon vor einiger Zeit dazu, laut über eine „Österreicherquote“ nachzudenken. Ähnlich wie beim Medizinstudium, bei dem 75 Prozent der Plätze für Österreicher reserviert sind, könne man bei Psychologie versuchen, mit einem drohenden Mangel für die psychologische Versorgung zu argumentieren, hieß es. Auch jetzt sagt Schmidinger: „Das Ganze kann zwangsläufig wieder zu einer derartigen Diskussion führen.“

Eine „Akademisierung um jeden Preis“?

Die Streichung von Studienplätzen käme in Deutschland einer Kehrtwende gleich. Mit Blick auf die doppelten Abiturjahrgänge, die Aussetzung der Wehrpflicht und das generell steigende Studieninteresse wurden die Plätze seit 2007 enorm ausgebaut. Bund und Länder finanzierten das gemeinsam. Manche Länder – etwa Sachsen-Anhalt – können und wollen sich das nun aber nicht mehr leisten.

Ein Grund dafür ist die Schuldenbremse. Ab 2020 dürfen die Länder keine Schulden mehr machen. In den neuen Bundesländern könnten durch das Auslaufen des Solidarpakts außerdem schon bald die Geldtransfers aus dem Westen wegfallen. Dann würde das Budget knapp. Warum also nicht bei den Unis sparen? Im Osten selbst ist die Nachfrage (wegen der demografischen Entwicklung) ohnehin gesunken. Die dortigen Unis werden mit Studenten aus dem Westen gefüllt.

Zumindest unterschwellig spielt beim Abbau von Studienplätzen in Deutschland auch die Frage, wie viele Uni-Absolventen ein Land überhaupt braucht, eine Rolle. Erst vor wenigen Monaten hat die deutsche Wirtschaft Alarm geschlagen und vor dem „Trend zur Akademisierung um jeden Preis“ gewarnt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.08.2014)

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