Gewerkschaft: Stanleymesser reicht, um Baufirma zu gründen

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Der Einstieg ins Unternehmertum sei zu einfach. Viele agieren nur als Scheinunternehmer und drücken das Lohnniveau, bemängelt auch die AK.

Die Scheinselbständigkeit in der Baubranche ist der Arbeiterkammer ein Dorn im Auge. Und eine vor zwei Wochen in Begutachtung geschickte Novelle des Lohn- und Sozialdumpinggesetzes zur Eindämmung gehe ihr nicht weit genug. Laut einer am Mittwoch präsentierten AK-Studie sind viele "Unternehmer" in Wirklichkeit Abhängige, die am Ende weniger Geld haben als als Arbeiter.

Einer Forba-Untersuchung im Auftrga der AK zufolge sind Fassadenarbeiter, Trockenbauer, Maurer, Fliesenleger, Eisenbieger die "Problemberufe", in denen besonders oft Scheinselbstständige tätig sind. "Sie tun das aus der Not heraus", sagte AK-Präsident Rudolf Kaske bei einer Pressekonferenz. Vor allem Menschen aus den östlichen Nachbarländern "fragen nicht lange nach, wenn sie um einiges mehr verdienen als zu Hause". Die Arbeiterkammer sorgt sich um das Lohnniveau in Österreich, das durch dieses Pseudo-Subunternehmertum - Baufirmen vergeben Aufträge statt die Menschen anzustellen, um Abgaben zu umgehen - gedrückt werde.

Vorgegebene Arbeitszeit

Das stärkste Indiz für eine Scheinselbstständigkeit sei in der Regel eine vorgegebene Arbeitszeit, erklärte AK-Expertin Doris Lutz. Drei Viertel hatten der Studie zufolge eine klare Weisung des Bauunternehmers. Datenbasis waren 242 Verdachtsfälle bei 97 Baustellen, die die Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) 2012 bzw. 2013 kontrolliert hat. Mehr als drei Viertel erhielten ihren Lohn regelmäßig - und nicht nach Fertigstellung des "Werks". Weiteres Indiz für Scheinselbstständigkeit: Nur 13 Prozent verwendeten laut Eigenangaben eigenes Werkzeug und Arbeitsmaterial.

Die AK kritisiert zum Thema neue Selbstständige das Fehlen einer soliden Datenbasis und greift auch die Wirtschaftskammer an, die stets von einem EPU-Boom (Ein-Personen-Unternehmen) spreche, jedoch nicht verrate, wie diese Zahlen zustandekommen. Während die WKÖ einen Anstieg der EPU von 183.300 auf knapp 267.000 von 2006 bis 2013 feststelle, sei laut Statistik Austria die Zahl der Unternehmen ohne Beschäftigte, die mehr als 10.000 Euro im Jahr umsetzen, von 2006 auf 2011 nur leicht von 154.627 auf 157.282 gewachsen, so Lutz.

Gesetztesnovelle zu restriktiv

In der Baubranche gingen die Übertritte in die Selbstständigkeit laut L&R Sozialforschung allerdings seit 2006 zurück, und zwar von 2.033 auf 1.532. Jedoch hätten im Gefolge der Arbeitsmarktöffnung 2011 viele Menschen aus Osteuropa ein "Gewerbe" im Baubereich angemeldet, so Baugewerkschafter Josef Muchitsch. Möglich mache das die 2003 unter Schwarz-Blau liberalisierte Gewerbeordnung - nunmehr brauche es kaum mehr als ein Stanleymesser, um Unternehmer werden zu können, so Muchitsch. Österreich sei jedoch das einzige Land in der EU, das ein Lohn- und Sozialdumpingsbekämpfungsgesetz habe.

Die nunmehr von Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in Begutachtung geschickte Novelle bleibt in Kaskes und Muchitschs Augen aber hinter den Vorgaben des Regierungsübereinkommens zurück. So solle etwa die Verschärfung bei der Lohnkontrolle nur für den Bau und die Arbeitskräfteüberlassung gelten. Scheinselbstständigkeit und Lohndumping gebe es aber in vielen Branchen, zum Beispiel im Reinigungsbereich, bei Kleintransportern oder in der IT-Branche. Die AK fordert auch, dass bei der Sanktionierung von Unterentlohnung alle Gehaltsbestandteile miteinbezogen werden sollen

Die Sozialpartner haben gegen das "Billigstbieterprinzip" der öffentlichen Hand bereits im April eine Kampagne gestartet. "Wir wollen heuer noch eine Begutachtung zustandebringen", gibt sich Muchitsch optimistisch. Er erhofft sich Rückenwind durch Bundesländer- bzw. WKÖ-Wahlen. Rund ein Drittel des österreichischen Bauvolumens (33 Mrd. Euro) stehe "im Einflussbereich der öffentlichen Hand".

(APA)

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