EU: Löst der russische Importstopp einen Preisverfall aus?

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Die EU hat den vom russischen Importstopp betroffenen Firmen Hilfe zugesagt. Dabei ist nicht einmal klar, ob der Schaden groß ist.

Wien. Die Antwort war am Freitag da, bevor die Frage präzise formuliert war. Die EU werde den Firmen angesichts des russischen Importstopps für westliche Lebensmittel beistehen, erklärte Agrarkommissar Dacian Ciolos: „Ich verstehe die Beunruhigung der betroffenen Bauern. Wir haben die notwendigen Instrumente, um ihnen zu helfen, wenn dies nötig ist“. Dass es einer raschen Reaktion bedürfe, hatte zuvor Österreichs Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter auf EU-Ebene deponiert. Der Landwirtschaftskammer (LK) indes ging die Aussage des EU-Kommissars nicht weit genug. „Eh schön, dass er unterstützt, aber er hätte konkreter sagen können, was er sich vorstellt“, so Landwirtschaftskammer-Sprecher Josef Siffert zur „Presse“.

Der ungewisse Schaden

Dabei ist konkret nicht einmal das Ausmaß des Problems klar, wie auch Siffert zugibt: Dass Österreich auf der Hälfte seiner Agrarexporte nach Russland sitzen bleibt (im EU-Schnitt sind es 37 Prozent) und damit etwas über 100 Mio. Euro an Einnahmen verliert, sei nicht so dramatisch, so Siffert. Dramatisch sei das, was wir nicht wissen, nämlich wie sehr der Importstopp einen Preisverfall auslöse: „Da liegt der Hund begraben.“

Nicht einmal die Produzenten wagen eine Prognose. Am meisten besorgt scheint die Obstbranche, weil Russlands Großlieferant Polen neue Märkte auch in Europa suchen werde. „Der Markt ist ohnehin angespannt, zumal heuer eine Rekordernte ansteht“, so Ferdinand Leopold, Sprecher der steirischen Exportvereinigung Apfel. „Ein Preisverfall von zehn bis 20 Prozent ist möglich.“

Nuancen beim Fleisch

Die Rindfleischbranche hat ihre eigenen Nuancen. Ein möglicher Preisverfall droht nur auf dem weiblichen Sektor, sprich dem Kuhfleisch. Nur dieses war bisher in Russland nachgefragt, weil es als sehr fettes Produkt etwa für die Konservenproduktion gebraucht wurde. In Russland selbst nämlich produziere die unterentwickelte Landwirtschaft nur mageres Vieh, so Thomas Grandits vom gleichnamigen Fleischproduzenten in Kirchschlag: „Das Schlimmste wäre jetzt eine Panik, bei der alle Bauern aus Angst vor dem Preisverfall die Kühe verkaufen. Tritt das nicht ein, wird der saisonbedingte Preisverfall vom Sommer im Herbst schleichend weitergehen.“

Bei Schweinefleisch hatte der ohnehin schon seit Jahresbeginn wirkende Importstopp durch Russland sogar eine preisstabilisierende Wirkung, wie Alois Strohmeier vom Schlachthof Steirerfleisch erklärt: Seien in den vergangenen beiden Jahren die Preise im Sommer saisonbedingt (Schweine fressen im Sommer wegen der Hitze weniger) sowie wegen mangelnder Produktionsausweitung jeweils um 15 bis 20 Prozent gesunken, so sei der Effekt heuer auch wegen Russland ausgeblieben. Erst im Herbst sei mit leicht sinkenden Preisen zu rechnen. Bleibt die Frage: Unternehmerisches Risiko oder krisenhaftes Fremdverschulden durch die Politik, für das die EU aufkommen muss? Auch die Unternehmer tendieren zu Letzterem, wiewohl sie vorerst einmal für Marktbeobachtung plädieren.

Kluge haben vorgesorgt

Heute Samstag jedenfalls treffen sich die Agrarspitzen des Landes zu Beratungen mit Rupprechter. Nächsten Donnerstag dann will der Verwaltungsausschuss in Brüssel bereits Maßnahmen einleiten. Neben dem Geldtopf für Krisenreserven stünden noch die Mittel der privaten Lagerhaltung und die Absatzförderung bereit, die dafür aber budgetär aufgestockt werden müssten, heißt es in der Landwirtschaftskammer. Es werde in Richtung Entlastung der Märkte gehen, etwa durch Forcierung der Exporte in andere Drittstaaten, ist aus dem Landwirtschaftsministerium zu hören. Die Unternehmer wissen, dass das lang dauert. „Wer klug ist, hat vorgesorgt und rechtzeitig neue Kunden gesucht“, sagt Grandits. „Uns war bewusst, dass etwas passieren wird.“

Auf einen Blick

Wegen des Importstopps für westliche Lebensmittel nach Russland sieht sich die EU veranlasst, europäische Agrarier zu subventionieren. Schon nächste Woche will man konkreter werden. Wie groß der Schaden wirklich ist, wird sich aber erst im Lauf der kommenden Monate zeigen. Unternehmer sprechen auch von eigenem Risiko.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)

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