Die Agrarier und ihr teures Vollkaskosystem

Was immer passiert, zahlen sollen andere.

Die Bauern verlangen also volle „Kompensation“ für mögliche Einbußen aus den Russland-Sanktionen. Und sie werden sie wohl bekommen. Es sei ihnen vergönnt, zumal ja offenbar bestehende Töpfe angezapft werden können und zumindest in diesem Fall wenig zusätzliches Steuergeld fließen muss.

Der sofortige europaweite Aufschrei der Bauernvertreter zeigt allerdings, wie weit sich diese vom Steuerzahler schwerst alimentierte Branche schon von der Marktwirtschaft wegbewegt hat: Was immer passiert, zahlen sollen andere. Hier hat sich eine steuerzahleralimentierte Vollkaskomentalität etabliert, die jedem Wirtschaftsverständnis Hohn spricht. Oder kann sich jemand ein derartiges Verhalten in anderen Sektoren vorstellen? Kriegt beispielsweise die AUA auch sofortige „Kompensation“, wenn sie nach Tokio nicht mehr über Sibirien fliegen darf?

Ganz nebenbei: Ein Blick auf den Verbraucherpreisindex zeigt, dass Nahrungsmittel in den vergangenen Jahren die ganz großen Inflationstreiber waren. Die Gruppe „Nahrungsmittel und nicht alkoholische Getränke“ hat sich seit 2010 wesentlich stärker verteuert als das Gesamtpreisniveau und sogar stärker als die Gruppe „Wohnen und Energie“.

Wenn dieser Preisschub durch die Russland-Sanktionen jetzt eingebremst wird, dann ist das aus Konsumentensicht eine eher erfreuliche Entwicklung. Und wenn, was abzusehen ist, die Agrarier neue Absatzmärkte für ihre Produkte gefunden haben, werden die Preise ohnehin wieder anziehen. Ich nehme an, die Agrarier verstehen, dass wir Konsumenten dann Kompensation für überzogene Preisanhebungen verlangen müssen.

josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.08.2014)


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