Erdoğan: "Die Nation hat ihren Willen ausgedrückt"

Noch-Premierminister Erdoğan bei seiner Stimmabgabe in Istanbul.
Noch-Premierminister Erdoğan bei seiner Stimmabgabe in Istanbul.(c) APA/EPA/TOLGA BOZOGLU
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Der amtierende Premierminister schafft den Sprung ins Präsidentenamt im ersten Wahlgang. Oppositionskandidat İhsanoğlu kommt auf 39 Prozent der Stimmen.

Der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdoğan hat die Präsidentenwahl nach ersten Teilergebnissen bereits im ersten Wahlgang mit absoluter Mehrheit gewonnen. Nach Auszählung von etwa 98 Prozent aller Stimmen kam der Vorsitzende der islamisch-konservativen AKP auf über 52 Prozent, wie der Sender CNN Türk am Sonntagabend berichtete. Die Wahlbeteiligung liege demnach bei 72,3 Prozent. Justizminister Bekir Bozdag erklärte auf Twitter Erdoğan zum Wahlsieger.

Erdoğan (60) will noch am Sonntagabend eine Ansprache halten. "Heute hat unsere Nation bei den Wahlen ihren Willen ausgedrückt", erklärte Erdoğan vor jubelden Anhängern in Istanbul.

Nach seinem Wahlsieg machte sich Erdoğan laut Fernsehberichten auf den Weg zum Gebet in die historische Eyüp-Sultan-Moschee in Istanbul, wie es bereits die osmanischen Sultane taten, bevor sie den Thron bestiegen. Anschließend wollte er in die Hauptstadt Ankara reisen, um eine Ansprache vor seinen Anhängern zu halten.

Oppositionskandidat bei 39 Prozent

Der Gemeinschaftskandidat der beiden größten Oppositionsparteien CHP und MHP, Ekmeleddin İhsanoğlu, liegt demnach bei mehr als 39 Prozent. Der Kandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, erzielte bei diesem Stand der Auszählung knapp neun Prozent. Die Wahllokale schlossen um 17 Uhr Ortszeit (16 Uhr unserer Zeit).

İhsanoğlu hat am späten Sonntagabend Erdoğan zu dessen Sieg gratuliert. "Ich gratuliere dem Ministerpräsidenten und wünsche ihm Erfolg", sagte er vor Journalisten in Istanbul. Noch vor Schließung der Wahllokale bei der Präsidentschaftswahl in der Türkei hatte sich İhsanoğlu über ungleiche Wettbewerbsbedingungen. "Es war ein unfairer, unausgewogener Wahlkampf", klagte er bei seiner Stimmabgabe am Sonntag in Istanbul. Die Opposition hat Erdoğan vorgeworfen, staatliche Ressourcen im Wahlkampf zu nutzen. In die Kritik war auch der Staatssender TRT geraten, der Erdoğan viel mehr Sendezeit einräumte als seinen beiden Kontrahenten.

Erste Dirketwahl eines Präsidenten

Es war das erste Mal, dass die Türken ihr Staatsoberhaupt direkt wählen konnten. Erdoğan regiert seit 2003 und hätte nach den AKP-Statuten nicht ein viertes Mal Ministerpräsident werden dürfen. Kritiker befürchten, dass er als Präsident seine Macht weiter ausbauen und die Islamisierung der Türkei vorantreiben könnte. Mit einem Wahlsieg Erdogans dürften die Weichen für die Einführung eines Präsidialsystems gestellt und das Amt mit noch mehr Macht ausgestattet werden.



Erdoğan hat als eines seiner zentralen Ziele eine neue Verfassung angekündigt. Er hat zudem deutlich gemacht, dass er als Präsident die Kompetenzen der derzeitigen Verfassung voll ausnutzen möchte. Die Amtszeit des neuen Präsidenten beginnt am 28. August.
Unklar ist, wer ihm als Ministerpräsident und Chef der Regierungspartei AKP nachfolgen wird. Als Kandidat für den Posten des Regierungschef wird der scheidende Präsident Abdullah Gül gehandelt.

Gül hatte sich als Präsident auf eine zeremonielle Rolle beschränkt. Schon jetzt gibt die Verfassung dem Präsidenten allerdings erhebliche Macht. Seine Entscheidungen sind juristisch nicht anfechtbar

Lopatka: "Keine Wahlrechtswidrigkeiten"

Nach Einschätzung von OSZE-Beobachtern war die Beteiligung im Vergleich zur Kommunalwahl im März gering. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, der die Wahl gemeinsam mit dem Grünen Abgeordneten Georg Willi in Istanbul beobachtete, berichtete von einem "Erdrutschsieg von Erdoğan" im dortigen Sprengel. Es habe keine Wahlrechtswidrigkeiten geben, sagte Lopatka. Der Wahlkampf sei aber alles andere als ausgeglichen gewesen, Erdoğan habe im Verhältnis "100:1" dominiert. Auch die mediale Berichterstattung sei "einseitig dominiert" gewesen.

In der Türkei waren rund 53 Millionen Menschen zur Stimmabgabe aufgerufen. Erstmals hatten auch 2,8 Millionen wahlberechtigte Auslandstürken die Möglichkeit, außerhalb der Türkei zu wählen. Davon machten aber nur 8,3 Prozent Gebrauch.

(APA/dpa/AFP/Reuters)

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