„Salotto. Vienna“: In Triest zeigt sich Wien im Salon

(c) Salotto.Vienna
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MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein stellt das Wiener Kunstgeschehen im Triester Salone degli Incanti vor: ziemlich eklektisch, aber gut inszeniert – mit Enzis, Thonet-Inventar und „Fledermaus“-Bühnenbild.

Die italienische Vermieterin wundert sich: „Das ganze Jahr über ist in Triest fast nichts los, und jetzt findet plötzlich alles zur gleichen Zeit statt.“ In der Tat steht die 200.000-Einwohner-Stadt, deren kulturelles Angebot trotz ihrer Größe recht überschaubar ist, derzeit Kopf. Seit einem Monat schon hält die Triestiner das Jazzfest wach. Täglich finden unter dem Motto „Trieste loves Jazz“ bei Einbruch der Dämmerung Konzerte statt – eines davon, der Auftritt des Pianisten Bruno Cesselli, sogar bei Sonnenaufgang auf einer Mole im alten Hafen.

Nun hat Triest mit dem „Salotto. Vienna“ ein weiteres Festival dazubekommen, das an fünf Abenden in der Woche mit einem abwechslungsreichen Programm aufwartet. Schauplatz dafür ist die ehemalige Fischhalle – eine direkt am Wasser gelegene beeindruckende Stahlbeton-Konstruktion, errichtet vom Triestiener Jugendstil-Architekten Giorgio Polli, die dank riesiger Fenster von allen Seiten von Licht durchflutet wird.

In einer ehemaligen Fischhalle

„Salone degli Incanti“ steht über dem Eingang. Das bedeutet eigentlich Auktionshalle und bezieht sich auf die Fischversteigerungen, die früher, als die Halle noch in Betrieb war, ein fixer Bestandteil des Marktalltags waren. In der funktionalen Bezeichnung schwingt aber auch die Bedeutung „Verzauberung“ mit, was sowohl das charmante Flair als auch die aktuelle Nutzung der alten Fischhalle besser beschreibt: als Ort der Faszination, ausgelöst vor allem durch kulturelle Impulse – was die Antiquitätenmesse Trieste Antiqua ebenso einschließt wie eine beeindruckende Materialinstallation, mit der der italienische Arte-Povera-Künstler Jannis Kounellis im Sommer 2013 an die ursprüngliche Bedeutung der Fischhalle erinnert hat.

Für diesen Sommer ist die Stadt Triest an MAK-Direktor Christoph Thun-Hohenstein herangetreten und hat ihn eingeladen, die Vielfalt und Bandbreite des Wiener Kulturgeschehens im Salone degli Incanti vorzustellen. Dass diese Präsentation partout im Erinnerungsjahr 2014, 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs, angesetzt wurde, darf allenfalls als unausweichliche Reverenz an die Geschichte interpretiert werden. Denn trotz der jahrhundertelangen politischen Zugehörigkeit der Hafenstadt zu Österreich – von 1382 bis 1918 – blieben die Triestiner aufgrund ihrer Multiethnizität und Multikulturalität doch stets eigenwillige Freigeister, denen ihre Italianità näher war als Wien. Statt auf die Geschichte wurde der Fokus daher dezidiert auf die Gegenwart gerichtet.

Schiele-Ausstellung im Taschenformat

Thun-Hohenstein, dessen MAK die Schirmherrschaft übernahm, delegierte die Aufgabe an Jürgen F. Weishäupl, einen Meister des Eventdesigns. Er stellte mit den drei zum Großteil in Wien lebenden italienischen Kuratoren Giovanni Damiani, Marcello Farabegoli und Giulio Polita binnen weniger Monate ein Programm auf die Beine, das er selbst „durchaus eklektisch“ nennt, „zusammengestellt nach dem Prinzip ,Wer hat wann Zeit?‘“. Die Auswahl beschränkt sich dabei nicht auf die zweifelsohne am meisten ausstellungstaugliche bildende Kunst, die hierorts vor allem in Form von Live-Interviews mit in Wien lebenden oder aus Wien stammenden Künstlern stattfindet (u. a. Aldo Giannotti, Marko Lulic, Anja Manfredi, Gudrun Kampl, Edgar Honetschläger). Der Bogen spannt sich von Kurzfilmscreenings über literarische Experimente bis hin zu einer Überblicksausstellung über den sozialen Wiener Wohnbau, bereitgestellt von Wiener Wohnen, und einer Schiele-Ausstellung im Taschenformat, anhand von Museumsdrucken zusammengestellt vom Leopold-Museum. Breiter Raum wird auch der heimischen Kreativwirtschaft eingeräumt, was zu Thun-Hohensteins früherer Tätigkeit als Geschäftsführer der Kreativagentur Departure passt und seine Strategien als MAK-Direktor des MAK spiegelt, wo er ein ähnlich interdisziplinäres Konzept vorhat.

Der „Salotto. Vienna“ ist aus Wiener Perspektive sicher keine Veranstaltung, für die man extra nach Triest fährt. Dazu ist das Konzept zu offen, sind die Inhalte letztlich zu vertraut. Ihr Charme und Mehrwert liegen vielmehr im namensgebenden Konzept: dem Salon als Ort, an dem kommuniziert wird. Als Ort, der Menschen zusammenbringt und Ideen. Wo man sich gern aufhält. Dazu tragen nicht zuletzt die Inszenierung und das Ambiente bei, die mit ihrem Mix aus klassischem Thonet-Inventar, Sesseln von Roland Rainer aus der Stadthalle und Museumsquartier-Enzis, auf denen es sich bei den Performances gut chillen lässt, zum Bleiben wie auch zum Reden einladen. Dazu raumhohe Kulissen mit Salondarstellungen einer alten „Fledermaus“-Inszenierung, gesponsert von einem Bühnenausstatter. Und ein modulares Bühnensystem mit Jugendstil-Textilien, am Computer postmodern re-interpretiert von Klaus Pobitzer. Eklektizismus pur.

Bis 14. September. Info: http://salotto-vienna.net/. Die Reise fand auf Einladung von MAK Wien und Artprojects statt.

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