Semmering-Basistunnel: Angriff auf ÖBB-Gutachter

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Gegner des Semmering-Basistunnels kritisieren, dass sich die Bahn die technische Reife des Projekts von Personen bestätigen ließ, die schon mehrfach Aufträge bekamen.

Wien. Gibt es in Österreich auf Bahnanlagen spezialisierte Gutachter, die noch nie für die ÖBB gearbeitet haben? Wenn ja, warum hat man diese nicht auch beim Projekt Semmering-Basistunnel eingesetzt? Wenn nein – wie unbefangen können solche Experten sein, wenn sie ein Urteil über das Großprojekt abgeben?

Es sind Fragen wie diese, die die Gegner der 27 Kilometer langen Betonröhre zwischen Niederösterreich und der Steiermark öffentlich stellen. Sinngemäß bemängelt die Naturschutzorganisation Alliance for Nature, dass sich die Bahn die technische Reife der Baustelle von Personen bestätigen ließ, die schon mehrfach Aufträge von den ÖBB bekommen haben. Oder anders formuliert: Die Tunnelkritiker äußern damit den nicht direkt ausgesprochenen Verdacht, dass nicht auszuschließen sei, dass die urteilenden Experten aufgrund ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit möglicherweise Milde walten ließen.

Im Zentrum der Empörung stehen einerseits der Vorstand eines heimischen Universitätsinstituts, dessen Forschung erstens teilweise von den ÖBB mitfinanziert wird und das zweitens schon mehrfach Gutachten für die Bahn erstellt hat; andererseits der Miteigentümer und Geschäftsführer mehrerer Ingenieurbüros, die im Laufe der vergangenen Jahre laut eigener Referenzliste mindestens 157 Gutachten für die Bahn erstellt haben.

Die Argumentationslinie der Gegner wurde dabei übrigens ebenfalls von einem Gutachter entwickelt. Einem Gutachter, der in der Vergangenheit mehrfach als Schwert der Kritiker von Tunnelgroßprojekten aufgetreten ist. Sein Name: Josef Lueger. Der Sachverständige für technische Geologie kämpfte an der Seite seiner Auftraggeber bereits gegen den Lainzer Tunnel (Eisenbahn) sowie aktuell gegen den Lobautunnel (Neubau S1-Schnellstraße). Auf die aktuellen Fälle bezogen spricht Lueger von „Haus- und Hofgutachtern“ der ÖBB. Den Einwand, dass es in Österreich nur wenig namhafte Sachverständige für Bahnanlagen gebe, die noch nie für die ÖBB gearbeitet haben, lässt er nicht gelten. „Wenn man wirklich gewollt hätte, hätte man sie auch gefunden.“

Wenig Gutachter zur Auswahl?

Genau dieses entscheidende Detail bewerten die ÖBB jedoch anders. Ihrer Meinung nach gibt es in Österreich für die entsprechenden Fachgebiete nur eine „begrenzte Zahl integrer Gutachter“, auf die man überhaupt zurückgreifen könne. Trotz der Rahmenbedingungen, die demnach zwangsläufig zu regelmäßigen Beauftragungen führen, würden die ÖBB jedoch bewusst darauf achten, einzelnen Ingenieurbüros wirtschaftlich nicht zu nahe zu kommen. Konzernsprecher Michael Braun geht davon aus, dass die aktuellen Vorwürfe beim Bundesverwaltungsgericht kein Gehör finden werden, schließlich hätten sich zuvor schon das Verkehrsministerium und der Verwaltungsgerichtshof damit befasst. Ohne Ergebnis.

Einer der beiden Gutachter, die nun in der Kritik stehen, ist Michael Schussek. Er ist jener Experte, dessen Firmen laut Eigendarstellung zumindest 157 Gutachten für die Bahn erstellt haben. Er sagt, dass laut Eisenbahngesetz im konkreten Fall nur Sachverständige ausgeschlossen wären, wenn sie das begutachtete Bauwerk mitgeplant hätten. „Das ist beim Semmering-Basistunnel aber nicht der Fall.“

Dennoch ist das Thema für ihn und den weiteren Gutachter noch nicht ausgestanden. Das Eisenbahngesetz kennt nämlich noch einen zweiten Ausschlussgrund. Dieser ist deutlich allgemeiner gehalten und erlaubt keine Beauftragung, wenn „sonstige Umstände vorliegen, die die Unbefangenheit oder Fachkunde in Zweifel ziehen“.

Aus Sicht der Financiers des 3,1-Mrd.-Euro-Projekts beschränkt sich die Liste der Merkwürdigkeiten jedoch nicht auf ÖBB, Republik und die profitierenden Unternehmen. Auch die Kritiker glänzen mit bemerkenswerten Details. Diese werden ausgerechnet von jener Partei finanziert, die in Österreich aus ökologischen Gründen den Ausbau des Bahnnetzes fordert: den Grünen. Die „Kleine Zeitung“ hat vor wenigen Tagen bekannt gemacht, dass ein vorgelagerter Verein der Partei, der sich aus Spenden der Abgeordneten finanziert, allein 2012 über 17.000 Euro an die NGO Alliance for Nature überwiesen hat. Unter anderem zur Finanzierung von Gutachtern. Einer der Beauftragten heißt Josef Lueger. (awe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)

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