Im Juli entführten drei Israelis einen 16-jährigen Palästinenser und töteten ihn grausam, als Rache für die gleiche Untat an drei Israelis. Eine Folge: der aktuelle Gaza-Krieg. Nun publizierte die Polizei Aussagen des Hauptverdächtigen.
Jerusalem. Josef Ben-David sieht eigentlich ganz harmlos aus. Die Aussage des Hauptverdächtigen im Mordfall an dem 16-jährigen Palästinenser Mohammed Abu Chedair ist aber Stoff zum Gruseln. Der 29-jährige Optiker und Familienvater lässt im Verhör mit der Polizei die Ereignisse der folgenschweren Nacht, in der der arabische Teenager ermordet wurde, Schritt für Schritt Revue passieren. Diese Woche gab die Polizei Ausschnitte aus dem Verhör frei; im Westjordanland hatte die Nachricht vom grausamen Tod Abu Chedairs vor Wochen eine Welle gewaltvoller Demonstrationen ausgelöst, in deren Verlauf es weitere Todesopfer gab.
Der 16-jährige Mohammed war am 2. Juli, noch vor der Dämmerung, auf dem Weg zum Morgengebet in der Moschee, als er entführt wurde. Stunden zuvor hatten zigtausende Israelis an der Beerdigung dreier israelischer Teenager teilgenommen, die ebenfalls entführt und ermordet worden waren. Gut zwei Wochen lang hatten Soldaten nach den drei Talmud-Schülern gesucht und schließlich ihre Leichen entdeckt. Die Israelis besuchten ein Internat in einer Siedlung im Westjordanland und waren per Anhalter auf dem Weg nach Hause, als sie in die Hände ihrer Mörder fielen. Israels Regierung machte Hamas-Anhänger verantwortlich.
Ben-David und seine minderjährigen Mittäter, die nur als N. und M. firmieren, offenbar Brüder sind und entfernt mit Ben-David verwandt, hätten aus Zorn über den Mord an den drei Israelis gehandelt. Anfangs wollten sie nur „Araber belästigen, Eigentum zerstören oder irgendjemanden verprügeln“, heißt es in Ben-Davids Zeugenaussage, die jedoch nicht damit zusammenpasst, dass zwei der Täter am Vortag des Mordes offenbar schon einmal versucht hatten, ein Kind zu entführen, beide Male am gleichen Ort, direkt an einer Straßenbahnhaltestelle im arabischen Wohnviertel Shoafat.
Lebendig verbrannt
Die Polizei hatte leichtes Spiel, die Täter dingfest zu machen, weil an der Straßenbahnhaltestelle Kameras installiert sind. Die Täter sind gefilmt worden. Für die Annahme, dass Ben-David einen Mord geplant hat, spricht außerdem die Tatsache, dass er noch vor der Entführung Mohammed Abu Chedairs fünf Colaflaschen mit Benzin gefüllt hat. Einem Autopsiebericht zufolge waren Rußspuren in der Lunge Abu Chedairs gefunden worden, was darauf deutete, dass er noch lebte, als ihn seine Mörder anzündeten.
Die Verdächtigen seien, laut Ben-David, zunächst unentschlossen gewesen und hätten in einem arabischen Lokal angehalten. Als der Wirt die drei darauf aufmerksam machte, das Wechselgeld nicht zu vergessen, hätten sie fast noch ihren Plan geändert. Irgendwann seien sie sich aber einig gewesen. „Sie haben drei von uns genommen, wir nehmen einen von ihnen“, resümiert Ben-David die Entscheidung. Die beiden Brüder sind wie die Opfer der Entführung zwei Wochen zuvor Talmud-Schüler.
Die Verdächtigen hätten den Burschen, als sie ihn sahen, auf Hebräisch nach dem Weg gefragt, um sicher zu sein, dass er kein Jude war. Dann habe ihm N. ins Gesicht geschlagen, während M. ihm den Mund zuhielt. Er habe gekämpft und sich gewehrt, als die Männer ihn ins Auto zerrten. Umsonst.
Ben-David, der auf Unzurechnungsfähigkeit plädieren will, bedauert die Tat. „Wir sind Juden, wir haben ein Herz.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.08.2014)