Faymanns Angst vor der eigenen Partei

MINISTERRAT - PRESSEFOYER: FAYMANN
MINISTERRAT - PRESSEFOYER: FAYMANNAPA/GEORG HOCHMUTH
  • Drucken

Die Nominierung von Doris Bures als Nationalratspräsidentin und die dadurch notwendige Personalrochade im Regierungsteam zeugen von der Unsicherheit des SPÖ-Chefs: Der Parteitag naht.

Regierungsbesetzungen folgen einer Art parteipolitischer Rasterfahndung: Minister werden nicht wegen ihres Profils, bisheriger Karriere, Kompetenz oder notwendiger Managementfähigkeit ausgewählt. Sondern vor allem nach Zugehörigkeit zu Flügel, Verein, Bundesland und Parteiorganisation. Das ist und war bei der ÖVP stets so, das ist nun wieder bei der SPÖ zu beobachten. (Wir erinnern uns an ÖVP-Familienministerinnen und -Staatssekretärinnen, die bis zur Nominierung dem eigenen Bezirksparteichef völlig unbekannt waren, aber dennoch zum Zug kamen, weil sie etwa die angeforderte Kombination Frau, Westen, Familie, Religion und ÖAAB erfüllten.) In der SPÖ kommt aber nun ein weiterer strategischer Ausschließungs- beziehungsweise Auswahlgrund dazu: Werner Faymann fürchtet sich vor dem Parteitag.

Er wurde bei der letzten Abstimmung über seine Verlängerung trotz Abwesenheit eines Gegenkandidaten schon arg zerzaust. Weder seine Performance noch die seiner Bundesregierung deutet darauf hin, dass diesmal mehr Begeisterung durch die Sektionen geht. Daher will Faymann mit den durch den Tod Barbara Prammers notwendig gewordenen Besetzungen vor allem die aufmüpfigen Flügel seiner Partei besänftigen: Die Gewerkschaft bekommt einen weiteren Ministerposten. Zur Verstärkung Rudolf Hundstorfers zieht neben den Ressortchefs Alois Stöger und Gerald Klug, die auch in der Gewerkschaft verankert sind, also ÖGB-Vizechefin Sabine Oberhauser als Gesundheitsministerin ein. Immerhin, die Frau ist Kinderärztin.

Es wird interessant zu beobachten sein, ob sie die Steuerdebatte um höhere Vermögensteuern auch aus dem Gesundheitsressort führen wird. (Was sehr problematisch wäre.) Und ob sie zu weiteren notwendigen Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich bereit sein wird. Die bisherige Erfahrung mit Gewerkschaftern in Ministerämtern sagt leider Nein. Hans-Jörg Schelling, schlauer Rechner an der Spitze der Krankenkassen, wird es schwer haben, seinen bisherigen Sanierungskurs fortzusetzen.

Was aber Alois Stöger, den braven Verwaltungsabwickler, nun prädestiniert, das riesige und finanzstarke Infrastrukturministerium zu führen, wie von der SPÖ-Führung kolportiert wird? Nicht viel, als Gesundheitsminister glänzte er nicht gerade, wiewohl manche seiner Maßnahmen durchaus Zustimmung bei Experten fanden. Aber die absurde Parteilogik ist wichtiger: Der Mann ist Oberösterreicher! Und dort befindet sich die Landespartei im Wahlkampf und muss zum Zug kommen, da Barbara Prammer Oberösterreicherin war. Zudem war überhaupt die Stimmung zwischen den Parteizentralen in Linz und Wien nicht immer die beste.


Budgetäres Eigenleben.
Doris Bures' wahrscheinlicher Wechsel an die Spitze des Nationalrats darf natürlich auch als Signal an die Wiener Landespartei verstanden werden, die für den Abgang eines Bundesparteichefs bei Bedarf auch keinen Parteitag benötigt.Wobei durchaus einiges dafür spricht, dass mit Bures auch eine Ministerin aus der Regierung geht, deren Selbstbewusstsein und budgetpolitisches Eigenleben dem Kanzler und seinem Kanzleramtsminister zuletzt nicht mehr ganz geheuer war. Obwohl oder vielleicht weil sie aus der Liesinger Faymann-Seilschaft kam.

Und Doris Bures, die das Ministerium sehr politisch, aber zuletzt korrekt führte – ÖBB-Chef Christian Kern stahl ihr immer öfter die Show – will vielleicht auch noch mehr: Vom Nationalratspräsidium aus sind Hofburg und Rathaus nicht so weit entfernt wie vom früheren Ministerium in der Radetzkystraße. Mehr Gewerkschaft, mehr Gewicht für die Landesorganisationen: Diese Personalrochade rettet vermutlich Werner Faymann (und damit auch irgendwie seinen ÖVP-Partner Michael Spindelegger) über den Herbst, die Regierungsarbeit wird dadurch aber sicher nicht einfacher oder gar konstruktiver, die Reformbereitschaft wird nicht steigen. Eher im Gegenteil. Und eigentlich hätte keiner gedacht, dass Rot-Schwarz noch zäher werden könnte.

rainer.nowak@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

INTERVIEW BM STOeGER
Innenpolitik

Der auffällig unauffällige Alois Stöger

In der Bundesregierung stand der SPÖ-Gesundheitsminister bisher im Schatten. Dabei kann der zähe politische Arbeiter sogar auf erste Fortschritte bei der Gesundheitsreform verweisen.
NATIONALRAT: OBERHAUSER
Innenpolitik

Sabine Oberhauser: Leutselige Kinderärztin und ÖGB-Vizechefin

Mit Sabine Oberhauser käme eine Frau in das Gesundheitsministerium, die das Gesundheitswesen von innen kennt.
Bures
Politik

Regierungsumbildung: Bures folgt Prammer

Ministerin Doris Bures wird Präsidentin des Nationalrats. Gesundheitsminister Stöger soll ins Verkehrsressort wechseln.
ERSTER NATIONALRAT DER NEUEN BUNDESREGIERUNG: FAYMANN / BURES / HUNDSTORFER / STOeGER
Kommentare

Diesmal bitte Mut, Herr Faymann!

Es war einer jener innenpolitisch drögen (Feier)Tage, an denen die Parteien das Publikum nicht mit Ideen, Initiativen oder Intrigen verschrecken wollten.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.