Der auffällig unauffällige Alois Stöger

INTERVIEW BM STOeGER
INTERVIEW BM STOeGERAPA/VIOLA JAGL
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In der Bundesregierung stand der SPÖ-Gesundheitsminister bisher im Schatten. Dabei kann der zähe politische Arbeiter sogar auf erste Fortschritte bei der Gesundheitsreform verweisen.

So schnell kann es manchmal gehen: Noch knapp vor der Neuauflage der SPÖ-ÖVP-Regierung im Dezember des vergangenen Jahres hätten sich die wenigsten darauf wetten getraut, dass der Oberösterreicher Alois Stöger weiter für die SPÖ Gesundheitsminister bleiben wird. Zu wenig öffentlichkeitswirksam sei er, zu introvertiert, warf ma ihm. Mittlerweile ist Stöger schon weitere acht Monate im Amt. Nicht nur das: Jetzt wird sein Name auf einmal im Zusammenhang mit der möglichen Nachfolge im Infrastrukturministerium genannt, wenn Ressortchefin Doris Bures ins Nationalratspräsidium übersiedelt.

Als ein Grund gilt, dass Oberösterreich damit weiter im SPÖ-Regierungsteam vertreten wäre, auch wenn Stöger im Gesundheitsressort für Sabine Oberhauser Platz machen soll. Dabei hat sich an Stögers Zurückhaltung beim Auftritt nach außen – sieht man von Ausnahmen ab – wenig geändert. Immerhin ist dem Gesundheitsminister zuletzt mit seinem Vorstoß für ein totales Rauchverbot in Österreichs Lokalen etwas gelungen, was ihm sonst so selten passiert: Aufmerksamkeit war ihm gerade mitten in der innenpolitischen Sommerpause sicher.

Noch dazu war absehbar, wie die Reaktionen ausfallen würden: Die Vertreter der Gastwirte schrieen empört auf, weil sie teilweise zur räumlichen Trennung in Gaststätten erst Umbauten vorgenommen hatten. Der Koalitionspartner ÖVP fühlte sich überrumpelt und war dementsprechend ebenfalls ungehalten. All das fiel viel mehr auf als Stögers zähe Bemühungen und Verhandlungen um die Gesundheitsreform, von denen die Österreicher oft nur am Rande Notiz nehmen.


Ex-Ablösekandidat.
Dabei war es schon eine der größten Überraschungen, dass der 53-jährige Oberösterreicher überhaupt wieder im Sessel des Gesundheitsministers Platz nehmen durfte. Stöger galt die längste Zeit als Ablösekandidat im SPÖ-Regierungsteam. Ihm wurde vorgehalten, dass er in einem für die Kanzlerpartei wichtigen Bereich die Botschaften der Roten nicht über die Rampe bringe: Zugang auch zu teuren Gesundheitsleistungen für alle und vor allem, dass zwar Strukturreformen zwischen Bund, Ländern und der Sozialversicherung vorgenommen werden müssten, dass sich aber das Einbremsen bei den Kosten nicht negativ auf die Patienten und damit auf die Wähler auswirke.

Stöger ist auch anno 2014 weit entfernt vom Typus des smarten, telegenen Politikers. Seine Auftritte wirken nach wie vor technokratisch. Inszenierungen sind ihm fremd, während andere etwa demonstrativ im Kreise von Präsenzdienern beim Bundesheer auftreten, um auf die intensivere sportliche Ausbildung hinzuweisen.

So steht Stöger im SPÖ-Team im Schatten. Das ist sogar jetzt der Fall, da der Gesundheitsminister langsam die Früchte seiner jahrelangen peniblen Arbeit hinter verschlossenen Verhandlungstüren ernten könnte: beim Einbremsen der Kosten durch bis 2016 mit Bundesländern und Krankenkassen fix vereinbarte Sparziele. Lange sorgten die Krankenkassen mit roten Zahlen für Aufsehen und für Kopfzerbrechen bei der Bundesregierung, für die aus dem Budgettopf viele Millionen zugeschossen werden mussten.

Gerade erst diese Woche wurde bekannt, dass die Vorgaben für diese Finanzziele sogar mehr als erfüllt wurden und 2012 das Ergebnis schließlich mit 21,7 Milliarden Euro um 133 Millionen Euro unter dem Plansoll lag. Es war typisch für Stöger, dass er diesen Erfolg nicht selbst mit großem Trommelwirbel ausschlachtete, sondern in einem Gespräch mit der Austria Presse Agentur vorsichtig darauf verwies. Nicht umsonst wird der Minister von Weggefährten und ehemaligen Mitarbeitern als „sehr uneitel“ beschrieben.

Allerdings haben ihn seine akribische Detailkenntnis und sein Fachwissen letztlich 2008 erst in die Regierung gebracht. Denn Stöger wurde von Bundeskanzler Werner Faymann nach drei Jahren als Obmann der oberösterreichischen Gebietskrankenkasse geholt.

Zugute kommt ihm, dass der Gesundheitsminister mit dem Chef des Hauptverbands der Sozialversicherungen, Hans Jörg Schelling, einen überaus wichtigen Unterstützer bei der Krankenkassensanierung in den vergangenen Jahre hatte. Mit dem ehemaligen ÖVP-Nationalratsabgeordneten, der selbst aus der Wirtschaft kommt, gibt es außerdem einen Verbindungsmann, der auch die Rückendeckung des Koalitionspartners ÖVP hat.

Für sein Hobby, das Bergsteigen, hat der Gesundheitsminister zwar weniger Zeit, als ihm lieb ist. Aber an Ausdauer mangelt es dem gelernten Maschinenschlosser aus dem rauen Mühlviertel nicht.


Gegen Widerstände.
Die Einführung der Elektronischen Gesundheitsakte, ELGA, hat er gegen heftige Proteste der Ärztekammer eingeleitet. Die Reform der Medizinerausbildung nach jahrelangem Gezerre paktiert. Damit ist aber längst nicht alles ausgestanden. Studentenvertreter drohen eben in einer Onlinepetition mit Abwanderung ins Ausland („Wir sind dann mal weg“), wenn es für das Klinisch-Praktische Jahr keine finanzielle Entschädigung gibt.

In der SPÖ hat Stöger ganz unten begonnen: Schon mit 17 war er als Lehrling Jugendvertrauensrat in der Voestalpine, später Sekretär bei der Metallergewerkschaft, dann Gemeinderat und Stadtrat in Gallneukirchen in der Nähe von Linz. Stramm auf SPÖ-Linie ist Stöger, wenn es um neue Vergünstigungen geht. So steht er voll dahinter, dass im Laufe des Jahres 2015 die Umsetzung des roten Wahlversprechens für Gratiszahnspangen für Kinder anläuft. Das entspricht allerdings auch der Prägung durch sein persönliches Leben, in dem er stets mit vielen Arbeitnehmern und Menschen konfrontiert wurde, die finanziell nicht auf Rosen gebettet waren.

Kassenexperte

Alois Stöger (53) ist seit Dezember 2008 für die SPÖ Gesundheitsminister. Sprungbrett für seinen Aufstieg in die Bundespolitik war die Obmannfunktion in der OÖ-Gebietskrankenkasse ab 2005. Zuvor war der gelernte Maschinenschlosser Sekretär der Metallergewerkschaft und SPÖ-Stadtrat in Gallneukirchen im Mühlviertel. Stöger ist verheiratet und Vater einer Tochter.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2014)

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Kommentare

Diesmal bitte Mut, Herr Faymann!

Es war einer jener innenpolitisch drögen (Feier)Tage, an denen die Parteien das Publikum nicht mit Ideen, Initiativen oder Intrigen verschrecken wollten.

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