Deutsche Spione versetzen Türkei in Aufregung

Turkey´s Prime Minister Tayyip Erdogan addresses members of his ruling AK Party (AKP) during a meeting at the party headquarters in Ankara
Turkey´s Prime Minister Tayyip Erdogan addresses members of his ruling AK Party (AKP) during a meeting at the party headquarters in Ankara(c) REUTERS (UMIT BEKTAS)
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Lauschangriff des deutschen Bundesnachrichtendienstes soll auf den Kurdenkonflikt und die Beziehungen der Türkei zu Israel gezielt haben. Die Erdoğan-Regierung hält sich mit Kommentaren zurück.

Die Berichte über eine mutmaßliche Abhöraktion des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Türkei haben am Bosporus für großen Wirbel gesorgt. Der BND soll sich besonders für den Kurdenkonflikt und den türkisch-israelischen Streit interessiert haben. Ankara will die Berichte über den BND untersuchen.

In den vergangenen Jahren waren in der Türkei mehrere Fälle von gezielten Telefonüberwachungen bekannt geworden, die der Regierung oder aber ihren Gegnern im Staatsapparat zugeschrieben wurden. „Du hast uns gerade noch gefehlt“, titelte die Zeitung „Vatan“ deshalb am Sonntag an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gerichtet. Laut der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“ wurden Telefonate in der Türkei vom BND über Satelliten abgehört. Unter Berufung auf Geheimdienstexperten meldete das Blatt, es habe offenbar keine kontinuierliche Abhöraktion gegeben, vielmehr seien einzelne Gespräche abgefangen worden.

Im Jahr 2009 – aus dem laut „Spiegel“ das aktuelle „Auftragsprofil“ des BND stammt – suchte die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdoğan in Geheimgesprächen mit Vertretern der kurdischen Rebellengruppe PKK nach Wegen einer friedlichen Beilegung des Kurdenkonfliktes. Die Kontakte, die in der norwegischen Hauptstadt Oslo stattfanden, scheiterten schließlich – auch weil sie vorzeitig bekannt wurden und Proteste türkischer Nationalisten auslösten. Der frühere Chef der Auslandsaufklärung des türkischen Geheimdienstes MIT, Kaşif Kozinoğlu, behauptete vor einigen Jahren, der BND habe die Oslo-Gespräche an die Öffentlichkeit gebracht.

Freibrief für Verschwörungen

Das Jahr 2009 markierte zudem einen Wendepunkt in den türkisch-israelischen Beziehungen. Damals lieferte sich Erdoğan beim Weltwirtschaftsforum in Davos einen wütenden Schlagabtausch mit dem israelischen Staatspräsidenten Schimon Peres, bei dem es um das israelische Vorgehen im Gazastreifen ging. Ein Jahr darauf wurden zehn türkische Aktivisten beim Versuch, mit dem Schiff „Mavi Marmara“ Hilfsgüter nach Gaza zu bringen, von israelischen Soldaten auf hoher See erschossen.

Die Türkei warf darauf den israelischen Botschafter aus dem Land. Gespräche über eine Wiederannäherung brachten bisher keinen Durchbruch.

Türkische Regierungspolitiker hielten sich am Sonntag mit Kommentaren zurück. Ein Grund war, dass die Erdoğan-Regierung den „Spiegel“ als „anti-türkische Publikation“ sieht. Mehmet Ali Şahin, Vizechef der Regierungspartei AKP, riet deshalb zur Vorsicht: Das Magazin habe schon „sehr unwahre Berichte“ in die Welt gesetzt, sagte er. Medienberichten zufolge hieß es aber, dass Berichte ernst genommen und überprüft würden.

Sollten sich die Berichte bestätigen, dürfte Ankara verärgert reagieren und von der Bundesregierung eine Erklärung und möglicherweise eine Entschuldigung verlangen. Viele Türken sind ohnehin überzeugt, dass feindliche Kräfte im Ausland versuchen, ihr Land an einem Aufstieg zur Regionalmacht zu hindern. Die Abhöraktion des BND dürfte den Verschwörungstheorien weiteren Auftrieb geben. Cemil Ertem, ein Kolumnist der regierungsnahen türkischen Zeitung „Star“, schrieb am Sonntag auf Twitter, Deutschland wolle den türkisch-kurdischen Friedensprozess sabotieren: „Jetzt liegen die Karten auf dem Tisch.“

AUF EINEN BLICK

Türkei. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) soll 2009 einen Lauschangriff in Ankara gestartet haben. Zu diesem Zeitpunkt verhandelte die türkische Regierung mit der Rebellengruppe PKK über die Lösung des Kurdenkonflikts. Kurz danach verschlechterten sich auch die türkisch-israelischen Beziehungen, nachdem eine „Friedensflottille“ für Gaza aus der Türkei vor Israel angegriffen wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.08.2014)

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