Fotoausstellung: Doch keine versteckte Kamera

(c) Photoinstitut Bonartes
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Nein, ein guter Ethnologe war er nicht. Aber ein einzigartiger Fotograf. Das Photoinstitut Bonartes zeigt „Die herrlichen schwarzen Menschen“ von Hugo Bernatzik.

Die einen schimpften ihn einen „dubiosen Kunstfotografen“, die anderen warfen ihm „Sensationsethnologie“ vor. Seinen Ruf als Quereinsteiger verlor er nie; als bedeutender Völkerkundler wird Hugo Bernatzik (1897–1953) sicher nie anerkannt werden. Sein fotografisches Werk aber gilt heute als einzigartig. Voller Respekt und Neugierde dokumentierte er in den 1920er-Jahren im Sudan „die herrlichen schwarzen Menschen“, wie er sie nannte. Wie gezielt Bernatzik seine Bilder angelegt hat, ist jetzt im Wiener Photoinstitut Bonartes zu sehen. Das Institut konnte den Nachlass des österreichischen Hobbyfotografen erwerben und zeigt eine beeindruckende Auswahl seiner Bilder.

Bernatzik brach 1920 sein Medizinstudium ab und versuchte sich erfolglos als Unternehmer. 1924 starb seine junge, wohlhabende Frau während ihrer Schwangerschaft. Ein Jahr später reiste er erstmals auf eine Jagdsafari in den Sudan. Jagen interessierte ihn offenbar nicht als geeignete Form der Annäherung an eine fremde Welt. Davon zeugt ein humorvolles Selbstporträt, dass Bernatzik nicht in prächtiger Tropenausrüstung mit erlegtem Löwen zeigt – nein, er posiert in Unterhose mit einem riesigen Fisch in der Hand.

1927 brach er erneut auf, um das „unbekannte und von der westlichen Zivilisation noch unberührte“ Afrika aufzuspüren. Ursprünglich wollte er dort auch Tiere fangen und dem durch den Ersten Weltkrieg verwaisten Zoo Schönbrunn verkaufen. Aber er erhielt keine Bewilligung. So konzentrierte er sich auf die Fotografie.

„Der Ruf der afrikanischen Wüste“

Zusammen mit dem erfahrenen Reiseleiter Bedrich Machulka fuhr er mit einem zum Haus umgebauten Boot, auf dem auch ein alter Ford Platz fand, durch das Land. Er fotografierte kunstvoll bemalte Körper, Dörfer, sogar ein Totenfest der Schilluks, Frauen in Fellkeidung, befremdliche Frisuren und Krieger. 1930 erschien sein Buch „Gari-Gari. Der Ruf der afrikanischen Wüste“. „Gari gari“ ist eine Grußformel im Südsudan. Verkaufte Exemplare: 230.000. Damit begann Bernatziks Karriere als Reisejournalist, der in Büchern und Zeitschriften den Wunsch des Publikums nach Exotik und Abenteuer befriedigte. Sein Trick dabei: Er behauptete, er fotografiere mit versteckter Kamera. So betonte er die Authentizität seiner Berichte – was damals wichtig war. Auf einem Foto allerdings sieht man deutlich ein großes, alles andere als unauffällige Stativ, das auf einer Autostraße in der Provinz Mongalla neben dem Ford steht – ganz so versteckt näherte er sich seinen Motiven offenbar auch nicht.

Wolken aus Europa hineinkopiert

Die Untersuchung der behaupteten Authentizität gehört zu den spannendsten Aspekten dieser Ausstellung. In den Fotoalben sieht man, wie streng und präzise Bernatzik seine „fotografischen Beutezüge“ für die Publikationen auswertete und nachbearbeitete. Immer wieder sind einzelne Ausschnitte zur Vergrößerung festgelegt, Nebenfiguren ausgewählt, Körperhaltungen herausgestrichen. Und sogar einiges eingefügt. Die meisten Fotografien zeigen einen milchig-weißen Himmel – Überbelichtung aufgrund der hellen Sonne. In einigen allerdings sind die heroischen Krieger von dichten, weißen Wolkengebilden hintermalt. Wo kommen diese Wolken her? Mit seinem ausgeprägten Gespür für Bildqualitäten collagierte Bernatzik die in Europa fotografierten Himmelsformationen nachträglich hinein, um die Szene dramatisch zu betonen.

Auch sonst entzaubert der Nachlass einiges. Für die Aufnahmen von Tänzen etwa bat er die Stammeshäuptlinge um das Abhalten eines Festes, erzählt Bonartes-Direktorin Monika Faber. Anhand des Nachlasses konnte sie auch klar erkennen, dass Bernatzik einmal 50 Fotografien in nur vier Stunden schoss – von einer intensiven, ethnologisch relevanten Beschäftigung mit den Völkern kann also keine Rede sein. Aber darin liegt auch nicht die Einzigartigkeit dieses Fotografen. Es sind die Momente voller Erzählungen, die er festhielt, verbunden mit seinem Respekt, der nicht nur den fremden Völkern galt, sondern auch seinem Team. Immer wieder porträtiert er Galo, seinen „Führer vom Stamme der östlichen Djur“. Galo ist auch einer der Hauptdarsteller in Bernatziks Stummfilm. Um seine Sudan-Reise zu finanzieren, hatte er diesem Projekt zugestimmt, das er ursprünglich als „dokumentarischen Kulturfilm“ geplant hatte und dann doch als fiktive Lebensgeschichte eines Afrikaners anlegte. Jetzt ist dieser Film übrigens erstmals seit seiner Uraufführung im Jahr 1929 wieder in Wien zu sehen.

Nach dieser Reise studierte Bernatzik in Wien Ethnologie. Trotz seiner wissenschaftlichen Studien behielt er auf seinen späteren Reisen den voyeuristischen Blick bei, der trotz aller Irritation bis heute den befremdlichen Reiz seines fotografischen Werks ausmacht.

Bis 17. Oktober, Wien 1, Seilerstätte 22.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.08.2014)

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