Anreizsysteme sorgen für Umdenken bei der Gesundheitsförderung

PATIENTEN-KUNDGEBUNG GEGEN VERTRAGSLOSEN ZUSTAND
PATIENTEN-KUNDGEBUNG GEGEN VERTRAGSLOSEN ZUSTAND(c) APA/GEORG HOCHMUTH (GEORG HOCHMUTH)
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Prävention hat in Österreich noch einen geringen Stellenwert. Erfolgsprämien könnten einiges bewirken.

Alpbach. Papier ist bekanntlich geduldig. Zwar steht längst im Regierungsprogramm, dass Anreizmodelle zur persönlichen Gesundheitsförderung forciert werden sollen, aber getan hat sich bisher herzlich wenig. Laut Statistik Austria liegen die österreichischen Gesundheitsausgaben aktuell bei 34 Milliarden Euro (Stand: 2012). Zum Vergleich: Im Jahr 2000 wurden 21 Milliarden Euro aufgewendet. Lediglich zwei Prozent der Ausgaben fließen derzeit in die Prävention – 36 Prozent dagegen in den stationären Bereich. Der EU-Durchschnitt liegt bei 28,1 Prozent. „Das Thema dümpelt immer noch ein bisschen dahin“, kritisiert Martin Gleitsmann, Leiter der Abteilung für Sozialpolitik und Gesundheit der Wirtschaftskammer Österreich. „Die Österreicher sind Spitalsweltmeister.“

Das will Peter McDonald, Obmann-Stellvertreter der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA), ändern und einen politischen Diskurs anstoßen. „Rechtzeitig vorsorgen ist besser als nachhaltig heilen. Der durchschnittliche Europäer ist eineinhalb Jahre länger gesund als der durchschnittliche Österreicher, dessen Krankheitslast zu 80Prozent auf Zivilisationskrankheiten basiert“, sagt McDonald. „Wir glauben, dass durch finanzielle Anreize die Eigenverantwortung steigt.“

Das zeigt auch eine Studie der Universität Linz, die am Dienstag im Rahmen des Arbeitskreises „Eigenverantwortung stärken – Gesundheit sichern“ beim Forum Alpbach präsentiert wurde. „Wir konnten belegen, dass gezielte Anreize einen echten Anstoß für Lebensstil- und Verhaltensänderungen geben“, sagt Gerald Pruckner, Leiter der Abteilung Gesundheitsökonomie. Martin Halla, Professor am Institut für Finanzwissenschaft der Universität Innsbruck, ergänzt: „Erträge aus einem gesunden Lebensstil können erst viel später, also in einem hohen Alter generiert werden. Bei finanziellen Anreizen hat man die Möglichkeit, Erträge schon jetzt finanziell spürbar zu machen.“

637 Probanden auf der Waage

Für die Studie wurden Anfang des Jahres übergewichtige Personen in der Landesstelle der SVA in Wien eingeladen, sich als Probanden zur Verfügung zu stellen. 334 Personen wurden in zwei Gruppen aufgeteilt: Die einen bekamen 150 Euro in Aussicht gestellt, wenn sie binnen fünf Monaten fünf Prozent ihres Körpergewichts abnehmen. Die Teilnehmer der zweiten Gruppe wurden mit 300 Euro Erfolgsprämie gelockt. Sie alle hatten einen durchschnittlichen Body-Mass-Index (BMI) von 32,5, was erheblichem Übergewicht entspricht. Für eine Frau mit 1,65 Meter Körpergröße würde das 88 Kilogramm bedeuten, für einen Mann (1,80 Meter) ein Gewicht von 105 Kilogramm. Weitere 303 Übergewichtige landeten in einer Kontrollgruppe ohne finanziellen Anreiz.

„Die Daten sind ziemlich eindeutig“

Das Ergebnis nach fünf Monaten: 42Prozent der Teilnehmer der Kontrollgruppe erschienen nicht mehr zum zweiten Termin. Von denen, die sich auf die Waage stellten, erreichten 17Prozent das Ziel. Von der ersten Gruppe blieben 40Prozent dem zweiten Termin fern, 31 Prozent erreichten das Ziel. Von Gruppe zwei ließen 33Prozent das Nachwiegen sein, aber 50Prozent der Erschienenen hatten die Vorgabe erreicht. In der Kontrollgruppe gab es eine durchschnittliche Gewichtsabnahme um rund 1,9 Kilogramm, in den anderen zwei Gruppen waren es jeweils etwa 3,3 Kilo.

„Die Daten sind ziemlich eindeutig“, sagt Martin Halla. Er glaubt allerdings, dass die Höhe des Anreizes nicht ausschlaggebend ist. „Entscheidend ist, ob es überhaupt einen gibt.“ Jetzt soll geklärt werden, inwieweit die in Aussicht gestellten Anreize auch kosteneffizient sind. (gul/WB)

AUF EINEN BLICK

Vorsorgeprogramm. Im Jänner 2012 startete die SVA das Vorsorgeprogramm „Selbstständig gesund“, mit dem die Versicherten in Zusammenarbeit mit ihrem Vertrauensarzt bei Erreichen bestimmter vereinbarter Gesundheitsziele weniger Selbstbehalt zahlen. Laut SVA-Chef Peter McDonald (Bild) hat das beispielsweise die Frequenz der Gesundenuntersuchungen bei den SVA-Patienten im ersten Jahr um 40Prozent gesteigert. 46.000 Versicherte nahmen an dem Programm teil. [ APA ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)

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