Israelischen Angaben zufolge schlugen Geschosse aus Gaza nahe der Stadt Beersheva ein. Premier Netanjahu ordnete Gegenangriffe an und berief das israelische Team bei den Friedensverhandlungen aus Kairo ab.
Gaza/Jerusalem. Nur wenige Stunden, bevor drei Raketen nahe der israelischen Stadt Beersheva eingeschlagen haben, war noch von der Möglichkeit einer dauerhaften Waffenruhe im Gaza-Konflikt die Rede. Am Kairoer Verhandlungstisch hatten palästinensische und israelische Vertreter eine Verlängerung der Feuerpause bis Dienstag, 23 Uhr, vereinbart. Am Nachmittag wurde die Waffenruhe dann vorzeitig durch die Hamas gebrochen, hieß es vonseiten des israelischen Militärs. Es gebe keine Verletzten.
Israel zog seine Verhandlungsdelegation am Abend aus Kairo ab. Dort sollte sechs Wochen nach Beginn des Gaza-Kriegs eine dauerhafte Friedenslösung zwischen Israel und den Palästinensern gefunden werden. Die letzte Feuerpause sollte bis Dienstagabend um 23.00 Uhr MESZ dauern. Israels Luftwaffe beschoss umgekehrt Ziele in Gaza. Ministerpräsident Benjamin Netanyahu hatte dazu die Order gegeben. Unklar blieb zunächst, welche der bewaffneten Gruppen im Gazastreifen für den Beschuss verantwortlich war.
Es ist ein enormer Rückschlag, nicht nur für die ägyptischen Vermittler. Bereits zuvor hat Palästinenserpräsident Mahmud Abbas die Hamas zu Kompromissen gedrängt. Für den Chef der Fatah wäre der in Ägypten ausgearbeitete Waffenstillstandsentwurf ideal gewesen: Die eigenen Milizen würden erneut Stellung an den Grenzübergängen beziehen, sämtliche Finanzierungen für Gaza müssten von der Palästinensischen Autonomiebehörde abgesegnet, statt direkt von Hamas verwaltet werden.
Keinen Aufschub hätte hingegen eine Lockerung der Blockade und die Lieferung von Baumaterial für den Wiederaufbau der zerstörten Infrastruktur sowie rund 10.000 Wohnhäuser vertragen. Im Lauf der Verhandlungen war erst von Annäherung die Rede. Israel hatte Erleichterungen beim Grenzverkehr signalisiert, vorausgesetzt, die Grenzübergänge würden von Fatah-Truppen kontrolliert. Dafür hat die Hamas laut UN ihre Zustimmung gegeben, auch sollte Abbas die Aufsicht über den Gaza-Wiederaufbau erhalten.
Raketenabwehr gibt Israel Luft
Unter den Palästinensern herrsche das Gefühl vor, „dass Netanjahu Zeit verschwendet und nicht wirklich zu Lösungen bereit ist“, sagt Mkhaimar Abusada von der Al-Azhar-Universität in Gaza auf telefonische Anfrage. Der Politologe fürchtet, dass es keine langfristige Lösung geben wird: Die Hamas werde sich nicht darauf einlassen, den Waffenstillstand immer neu zu verlängern, solange keine konkreten Fortschritte bei den Verhandlungen erzielt werden.
Der israelische Experte für Terrorismusbekämpfung, Barak Ben-Zur, sieht Israel heute in der Lage, weiter Druck auf die Hamas auszuüben. Das effektive Raketenabwehrsystem „Iron Dome“ gebe Israel Luft. Auf der anderen Seite stehe der Gazastreifen „vor einer humanitären Katastrophe“, deshalb sei der Druck, unter dem die Hamas steht, stärker.
Bedenklich findet Ben-Zur, dass Israels Regierung keinen klaren politischen Plan verfolge. Gerade jetzt müsse „das Moment genutzt werden, um die Verhandlungen mit Abbas über die Zweistaatenlösung voranzutreiben“. (red./kna)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.08.2014)