Filmfestspiele Venedig mit Seidl und Horror

Szenenbild aus Ulrich Seidls ''Im Keller''
Szenenbild aus Ulrich Seidls ''Im Keller''(c) Stadtkino Verleih
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Ulrich Seidls "Im Keller" läuft außer Konkurrenz. Viele Stars haben sich für das Filmfestival angesagt.

Venedig ist Vielfalt: Wenn ab kommenden Mittwoch große Stars von Al Pacino bis Catherine Deneuve der Lagunenstadt Glanz verleihen und sich einige der Wettbewerbsfilme brisanten Themen widmen, sind es die österreichischen Beiträge, die Düsteres beisteuern: So führt Ulrich Seidl in Österreichs Keller, seine Lebensgefährtin Veronika Franz in die Identitätskrise und Constantin Wulff in Seidls Welt.

"Im Keller", Seidls Rückkehr zum Dokumentarfilm nach seiner festivalreisenden "Paradies"-Trilogie, skizziert die eigentümliche Beziehung der Österreicher zu ihren Kellern und wird in der offiziellen Auswahl der Filmfestspiele, jedoch außerhalb des Wettbewerbs, präsentiert. Es ist ein Wiedersehen nach 13 Jahren, hat Seidl mit "Hundstage" hier doch 2001 den Großen Preis der Jury erhalten.

Hinter die Kulissen der "Im Keller"-Dreharbeiten sowie der Proben zu Seidls Festwochen-Stück "Böse Buben" lässt Constantin Wulffs TV-Porträt blicken, das unter dem Titel "Ulrich Seidl - A Director At Work" am Rande des Festivals auf dem Filmmarkt präsentiert wird.

Spielfilmdebüt von Veronika Franz

Von Seidls Produktionsfirma produziert ist der Horrorfilm "Ich seh Ich seh", das Spielfilmdebüt von Veronika Franz und Severin Fiala über Zwillingsbuben, die ihre Mutter nach deren Rückkehr von einer Operation unter deren Bandagen nicht wieder zu erkennen meinen. "Ich habe in meiner Arbeit mit Ulrich Seidl immer das Gefühl gehabt, dass seine Filme auch Horrorfilme wären, wenn man sie in erzählerischer Hinsicht oder in der Konstruktion noch ein bisschen übersteigern würde", so Franz gegenüber der Austrian Film Commission (AFC). "Die Frage, ob es möglich ist, naturalistische Inszenierung mit Genre zu kombinieren, hat uns sehr interessiert." Das Resultat feiert als einer von 17 Wettbewerbsfilmen in der Orizzonti-Schiene seine Weltpremiere.

Filmfestival Venedig startet mit Komödie

Am Mittwoch (27. August) startet das älteste Filmfestival der Welt aber erst einmal mit einem deutlich leichteren Werk: Der Mexikaner Alejandro González Iñárritu fokussiert in "Birdman (Or the Unexpected Virtue of Ignorance)", seiner ersten Komödie, auf Befindlichkeiten und Intrigen im Schauspieler-Milieu - äußerst prominent besetzt mit Michael Keaton, Zach Galifianakis, Edward Norton, Emma Stone und Naomi Watts.

Auch in den folgenden Festivaltagen könnte es voll werden auf dem roten Teppich: Für die Gala-Premieren an den Abenden werden zahlreiche weitere Stars erwartet, darunter Jennifer Aniston, Bill Murray, James Franco, Ben Kingsley, Ethan Hawke und die französische Grande Dame Catherine Deneuve mit ihrer Tochter Chiara Mastroianni.

Ähnlich facettenreich wirkt das Programm des Wettbewerbs mit insgesamt 20 Filmen in der Konkurrenz. "A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence" des Schweden Roy Andersson nimmt etwa die Erzählperspektive eines Vogels ein, der russische Beitrag "The Postman's White Nights" beleuchtet mit Laiendarstellern das einsame Leben auf dem Land und Willem Dafoe verkörpert in Abel Ferraras Biopic "Pasolini" den italienischen Ausnahmeregisseur Pier Paolo Pasolini kurz vor dessen mysteriösem Tod.

Auffällig sind bei dem neben Cannes und Berlin wichtigsten Filmfest aber auch die vielen Beiträge mit politischen und gesellschaftskritischen Themen. So spielt das Drama "Loin des hommes" mit "Herr der Ringe"-Star Viggo Mortensen zur Zeit des Algerienkrieges, Ethan Hawke gibt in "Good Kill" einen an seinem Job zweifelnden Dronen-Experten, "The Cut" des in Hamburg lebenden Regisseurs Fatih Akin widmet sich der Verfolgung und Vertreibung von Hunderttausenden Armeniern und der US-Regisseur Ramin Bahrani beobachtet in "99 Homes" eine Familie, die ihr Haus wegen Immobilien-Spekulationen verliert.

Festivals seien heutzutage einige der wenigen Orte, in denen nicht der Profit der Filme im Vordergrund stehe, erklärte Festivalleiter Alberto Barbera im Vorfeld. Filmfeste seien "nicht nur eine Momentaufnahme der Gegenwart, sondern (haben) die Kapazität, Dinge in einem anderen Licht zu sehen, das wahrzunehmen, was manchmal unsichtbar oder unklar bleibt".

Am 6. September werden die Preise vergeben

Wer unter den vielen hoffnungsvollen Filmschaffenden am Ende ins Licht geholt wird, entscheidet sich am 6. September. Dann steht auch ohne österreichischen Wettbewerbsfilm eine heimische Regisseurin auf der Bühne: Jessica Hausner ("Lourdes") ist in der internationalen Jury, die die Goldenen Löwen vergibt.

Die 20 Filme im Wettbewerb

  • "The Cut" von Fatih Akin (Deutschland, Frankreich, Italien, Russland, Kanada, Polen, Türkei)
  • "En duva satt på en gren och funderade på tillvaron (A Pigeon Sat on a Branch Reflecting on Existence)" von Roy Andersson (Schweden, Deutschland, Norwegen, Frankreich)
  • "99 Homes" von Ramin Bahrani (USA)
  • "Ghesseha (Tales)" von Rakhshan Banietemad (Iran)
  • "La rançon de la gloire" von Xavier Beauvois (Frankreich, Belgien, Schweiz)
  • "Hungry Hearts" von Saverio Costanzo (Italien)
  • "Le dernier coup de marteau" von Alix Delaporte (Frankreich)
  • "Pasolini" von Abel Ferrara (Frankreich, Belgien, Italien)
  • "Manglehorn" von David Gordon Green (USA)
  • "Birdman (Or the Unexpected Virtue of Ignorance)" von Alejandro González Iñárritu (USA)
  • "3 Coeurs" von Benoit Jacquot (Frankreich)
  • "Belye Nochi Pochtalona Alekseya Tryapitsyna (The Postman's White Nights)" von Andrej Kontschalowski (Russland)
  • "Il Giovane Favoloso" von Mario Martone (Italien)
  • "Sivas" von Kaan Müjdeci (Türkei, Deutschland)
  • "Anime Nere" von Francesco Munzi (Italien, Frankreich)
  • "Good Kill" von Andrew Niccol (USA)
  • "Loin des hommes" von David Oelhoffen (Frankreich)
  • "The Look of Silence" von Joshua Oppenheimer (Dänemark, Finnland, Indonesien, Norwegen, Großbritannien)
  • "Nobi (Fires on the Plain)" von Shinya Tsukamoto (Japan)
  • "Chuangru Zhe (Red Amnesia)" von Wang Xiaoshuai (China)

(APA/dpa)

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