82 Prozent der Redaktion verlangen in einer Petition die Absetzung von Wolfgang Büchner. Er kam erst vor einem Jahr zum Nachrichtenmagazin.
Es sind (wieder einmal) Tage der Entscheidungen beim deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel": Für Freitag ab 15 Uhr ist eine Gesellschafterversammlung angesetzt, das Haus steckt tief in einer Führungskrise. Auslöser ist der Reformkurs von Chefredakteur Wolfgang Büchner, der Print-und Online-Redaktion stärker verschränken will. Anfang der Woche wurde bekannt, dass Büchner und Geschäftsführer Ove Saffe planen, alle Stellen der Ressortleiter neu auszuschreiben. Die Ressortleiter sollen, so der Plan, künftig für Print und Online zuständig sein. Bereits seit seinem Start beim "Speigel" steht Büchner unter Beschuss. Vor allem, weil er Nikolaus Blome von der "Bild", dem Erzfeind des Magazins, in die Chefredaktion holte.
205 "Spiegel"-Redakteure unterschrieben gegen Chef
Zuletzt sollen drei Ressortleiter beim Geschäftsführer vorstellig geworden sein, die sich über ihren Chefredakteur beschwert haben. Büchner sei untragbar geworden, so die Kritik. Tatsächlich könnten die Tage für Büchner als "Spiegel"-Chefredakteur nach nicht einem Jahr im Amt gezählt sein. Dem deutschen Branchendienst "Meedia" zufolge unterschrieben 205 "Spiegel"-Redakteure, also 82 Prozent der Belegschaft, eine Petition, die seine Absetzung verlangt. In dieser bekennen sie sich ausdrücklich zu Reformen und der Öffnung zum Digitalen, wollen den Kurs aber auf keinen Fall mit ihrem Chefredakteur gehen. Tiefe Gräben verlaufen dabei auch zwischen Online- und Print-Redaktion.
In der Versammlung am Freitag sollen die Gesellschafter steht die Neuaufstellung der Ressorts auf der Agenda. Dass die Gesellschafter grünes Licht für die Pläne geben, halten deutsche Medien für unwahrscheinlich. Entscheidend sind die Stimmen der Mitarbeiter KG (die Mitarbeiter halten 50,5 Prozent am Verlag). Deren fünf Geschäftsführer sind sich uneins und ringen um ein Votum. Möglicherweise werden die Gesellschafter versuchen, mehr Zeit für die geplanten Reformen herauszuschlagen und hoffen, dass sich die Situation wieder beruhigt. Lehnt die Mitarbeiter KG ab, könnten Büchner und Saffe sich abfertigen lassen und gehen.
Spekulationen über Büchner-Nachfolge
In deutschen Branchendiensten werden bereits Nachfolgekandidaten präsentiert. Einer von ihnen ist Dominik Wichmann. Der "Stern"-Chefredakteur musste vergangene Woche nach nur eineinhalb Jahren an der Spitze überraschend gehen.
Die Redakteure wünschen sich, dass das Duo Martin Doerry (den Büchner entmachtet hat) und Klaus Brinkbäumer interimistisch die Führung übernimmt, wie einst zwischen dem Abgang von Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron und der Verpflichtung Büchners. Das ist unwahrscheinlich, weil sich Minderheitengesellschafter Gruner + Jahr eine Modernisierung der "Spiegel"-Struktur wünscht und das Duo für die "alten" Ordnung steht.
''Spiegel''-Gesellschafter
Der Hamburger Verlag Gruner + Jahr hält 25,5 Prozent, die Augstein-Erben 24 Prozent und die tonangebende Mitarbeiter-KG 50,5 Prozent am "Spiegel"-Verlag.
(Red.)