Wohngeschichten: Haus-Sharing am Neusiedler See

Zwei Kreativwirtschafter haben in Weiden am See ein außergewöhnliches Haus errichtet, um es mit anderen zu teilen. Eine Mitgliedschaft ist noch zu haben.

Entspannte Atmosphäre, schöne Strände, viel Natur, Spitzengastronomie – und das nur eine knappe Stunde von Wien entfernt: Die beiden Kreativwirtschafter Ulrike Tschabitzer-Handler und Albert Handler haben in den vergangenen Jahren die Gegend um den Neusiedler See für sich entdeckt und bald so viel Freizeit hier verbracht, dass der Wunsch nach einem eigenen Haus in der Region immer größer wurde. 2011 kauften sie ein kleines, verfallenes Bauernhaus, idyllisch gelegen in einer der ältesten Gassen von Weiden am See. Auf dem Grundstück bauten sie ein architektonisch interessantes neues Haus, das sie nun mit anderen teilen. „Wir sind viel unterwegs, da hätten wir uns mit einem klassischen Wochenendhaus, das man möglichst oft nutzen sollte, selbst unter Druck gesetzt“, sagt Albert Handler. „Wir wollten uns keinen Stress kaufen, sondern ein zweites Zuhause schaffen.“

Teil des Ganzen werden


Markt 67 heißt das Wohnprojekt der Handlers, passend zur alten Post- und zur neuen Internetadresse. Inspiriert von internationalen House-Sharing-Projekten wie Intervac, dem Soho House Hotel in Berlin oder der Stadtflucht Bergmühle von Martin und Madeleine Rohla-Strauss im niederösterreichischen Kronberg können mehrere Mitglieder „Markt 67“ für eine bestimmte Zeit nutzen. Die Mitgliedschaft kann für ein Jahr erworben werden, eine von insgesamt vier ist noch zu haben.
Gebaut wurde nach den Plänen von Claudia Cavallar, die italienische Architektin studierte bei Hans Hollein und Greg Lynn. Das Projekt „Markt 67“ ist in Materialwahl und Kubatur an die Nachbarhäuser angeglichen, nur das Dach ist um einige Grade sanfter geneigt, damit die thermische Solaranlage maximalen Ertrag bringt. „Wir wollen nicht groß auffallen, sondern Teil des gewachsenen Ganzen sein“, erläutert Ulrike Tschabitzer-Handler. Eternit, Putz mit Besenstrich, Holzfenster und Farbe, lassen das Haus stilistisch mit der unmittelbaren Umgebung verschmelzen. Der loftartige, durch Niveausprünge gegliederte Innenraum erinnert mit seiner geneigten Decke an einen Stadel mit Heuboden.
Bewusst einfach gehaltene Materialien wie gestrichene Ziegel und Sperrholz schaffen in Kombination mit Details wie einem Carl-Auböck-Wohnzimmertisch eine einnehmende Atmosphäre. „Da wir von Anfang an wussten, dass wir das Haus teilen werden, haben wir es mit Möbeln von Flohmärkten und aus Vintageshops ausgestattet. Damit alles schon eine Geschichte hat“, so Tschabitzer-Handler. Stühle im 1950er-Jahre-Stil oder Vorhänge und Pölster von M. Farber & Co. verleihen den Wohnräumen eine nostalgische Note. Fernsehgerät gibt es keines, dafür aber Apple TV. Die Schlafempore, eigentlich für die Eltern gedacht, ist auch bei den Töchtern Milla, fünf, und Lola, 13, begehrt. Verständlich, der Blick auf das darunterliegende Wohnzimmer verschafft ein tolles Raumgefühl. Sitzt man am Esstisch oder im Wohnzimmer, schaut man in das erweiterte Außenwohnzimmer, den stufenlos erreichbaren Außenbereich mit Garten. Die Werkbankküche wurde von Piet Hein Eek designt, darüber hängt ein großformatiges Bild. Dürfen alle Mitglieder Bilder aufhängen? „Die Mitgestaltung durch die Members ist erwünscht“, betont Albert Handler. „Im Gegensatz zu einem Appartement soll man hier ja nicht nur konsumieren, sondern den Ort auch weiter individualisieren.“

Gleichgesinnte Interessenten


An einem Zweitwohnsitz lässt jeder gern Dinge, hier werden diese mit anderen geteilt. So hat etwa eine „Markt 67“-Mitgliedfamilie mit besonderer Affinität zu Musik ein klangstarkes Soundsystem im Wohnzimmer installiert. Probleme wegen unterschiedlicher gestalterischer Vorlieben, Stress wegen Instandhaltung oder Gartenpflege fürchten die Handlers nicht. „Haus und Garten sind sehr pflegeleicht. Und wer einen anderen Designstil bevorzugt oder das Sharing-Konzept nicht mag, kommt eh erst gar nicht her“, sagt Handler. Außerdem hätten sich bis jetzt fast ausschließlich Leute aus der Kreativwirtschaft und dem Kunstbereich für eine Mitgliedschaft interessiert. „Da stimmt die Chemie meist.“

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