Erste große Hürde für US-Handelsabkommen

jean Claude Juncker erstmals von den Waehlern direkt bestimmter Praesidenten der Europaeischen Komm
jean Claude Juncker erstmals von den Waehlern direkt bestimmter Praesidenten der Europaeischen Komm(c) imago/Wassilis Aswestopoulos (imago stock&people)
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Ab Herbst berät das Europaparlament das Freihandelsabkommen mit Kanada. Es gilt als Blaupause für TTIP und enthält den umstrittenen Investitionsschutz samt Sondergerichten, die viele Abgeordnete ablehnen werden.

Wien/Straßburg. Geheimverhandlungen sind in der EU immer nur relativ geheim. Denn je mehr Institutionen eingebunden sind, umso eher kommen heikle Gesetzes- oder Vertragstexte schon frühzeitig an die Öffentlichkeit. So fand auch das in spröder juristischer Sprache gehaltene 1500 Seiten starke Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) seinen Weg ins Internet. Obwohl es erst im September bei einem EU/Kanada-Gipfel offiziell vorgelegt werden soll, wird es bereits von NGOs und politischen Parteien zerpflückt. Die Erregung hat einen Grund: Das Abkommen, das frühestens 2016 in Kraft treten soll, gilt nämlich als Blaupause für das umstrittene Abkommen mit den USA (TTIP). Nach einer ersten Durchsicht ist klar, dass es ebenso wie TTIP eine Investitionsschutzklausel samt Sondergerichten enthält, vor denen Streitigkeiten zwischen Unternehmen und ihren Gastländern abseits der offiziellen Gerichte gelöst werden sollen.

„Ein Investitionsschutz ist richtig und wichtig, aber Sondergerichte werden vom Europaparlament kaum akzeptiert werden“, ist der ÖVP-Delegationsleiter und Europaabgeordnete Othmar Karas überzeugt. Er verweist auf die Ankündigung des neuen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, solche Sondergerichte nicht zu akzeptieren. Skepsis kommt auch von Sozialdemokraten und Grünen. Michel Reimon, der sich für die Grünen im Europaparlament mit Freihandelsfragen befasst, sieht ein Präjudiz für TTIP. „Das Kanada-Abkommen könnte am Investitionsschutz scheitern. Das Problem ist nur, dass die Verträge ohne diesen Schutz sowohl für Kanada als auch dann für die USA uninteressant sind.“ Reimon warnt dennoch vor einer Aushöhlung demokratischer Entscheidungsprozesse, sollten internationale Konzerne beispielsweise neue, schärfere Umweltgesetze, die ihre Investitionen gefährden würden, vorab verhindern können.

Wird das Kanada-Abkommen vom Europaparlament, das bei internationalen Verträgen der Union das letzte Wort hat, abgelehnt, droht also auch TTIP zu scheitern. Die EU-Kommission hat deshalb dem Vernehmen nach bereits im Sinn der Europaabgeordneten mit der kanadischen Regierung einige heikle Punkte nachverhandelt. Im Gegensatz zu bisherigen Freihandelsabkommen wurde den umstrittenen Schiedsgerichtsverfahren eine möglichst große Transparenz auferlegt. Sie müssen öffentlich stattfinden. Lediglich bei besonders schützenswerten Informationen kann diese Transparenz vorübergehend ausgesetzt werden. Sie sollen zudem nur bei wirklich substanziellen Investitionsbeträgen einberufen werden können. Außerdem wurde Ängsten vor einer Privatisierung der Wasserversorgung entgegengetreten. Ausdrücklich wird im Vertrag darauf hingewiesen, dass keine Seite gezwungen werden kann, die „kommerzielle Nutzung von Wasser zu erlauben“.

Interessen europäischer Unternehmen

Der Investitionsschutz wird allerdings auch von europäischen Unternehmen gefordert. Sie wollen die Sicherheit, dass ihre Investitionen nicht durch neue Regeln von einzelnen Staaten und Kommunen an Wert verlieren. Im Abkommen mit Kanada ist beispielsweise vorgesehen, dass sich künftig europäische Firmen auch an Ausschreibungen von Provinzregierungen oder Gemeinden beteiligen können. Dies würde einen neuen Markt für europäische Betriebe öffnen.

Karas wirbt denn auch für eine sachliche Diskussion. „Es gibt bereits weltweit 1400Freihandelsabkommen mit Investitionsschutzklauseln. Am öftesten werden diese von europäischen Unternehmen genutzt.“ Er spricht sich für einen Kompromiss aus: Einen Investitionsschutz, der im Konfliktfall auf Grundlage der vorhandenen rechtsstaatlichen Einrichtungen gelöst wird.

Noch vor dem Europaabgeordneten müssen die Regierungen der 28 Mitgliedstaaten grünes Licht für das Abkommen geben. In Deutschland hat sich bereits Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) skeptisch geäußert. In Österreich hat SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder eine „sehr kritische Beurteilung“ des Kanada-Abkommens angekündigt.

AUF EINEN BLICK

Ceta. Das kürzlich ausverhandelte Freihandelsabkommen zwischen der EU und Kanada (Ceta) gilt als Blaupause für den schon im Vorfeld umstrittenen Vertrag mit den USA (TTIP). Es enthält ebenfalls eine Investitionsschutzklausel und sieht bei Konflikten zwischen Unternehmen und ihren Gastländern die Einrichtung von Schiedsgerichten vor. Der Vertragsentwurf wird im September bei einem EU/Kanada-Gipfel offiziell vorgelegt. Dann muss er von den EU-Regierungen, Kanada und zahlreichen nationalen Parlamenten sowie dem Europaparlament abgesegnet werden. Änderungen sind deshalb nicht ausgeschlossen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.08.2014)

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