Ebola: "Das unheimliche Virus"

Health workers wearing protective clothing prepare themselves before to carrying an abandoned dead body presenting with Ebola symptoms at Duwala market in Monrovia
Health workers wearing protective clothing prepare themselves before to carrying an abandoned dead body presenting with Ebola symptoms at Duwala market in MonroviaREUTERS
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In Westafrika breitet sich die Ebola-Epidemie weiter aus. Auch Österreicher beteiligen sich am Kampf zur Eindämmung der Infektionskrankheit.

„Man schüttelt niemandem die Hand, berührt keinen Menschen und hält eineinhalb Meter Abstand zu anderen Personen“, erklärt Andreas Vogel (Name von der Redaktion geändert). Das sind die simplen, aber überlebenswichtigen Grundsätze, die der Wiener vor seinem unmittelbar bevorstehenden Dienstantritt immer wieder eingebläut bekommen hat.

Andreas Vogels Dienstort liegt im Osten des westafrikanischen Landes Sierra Leone, in der Stadt Kailahun. Und genau in dieser Grenzregion zu Guinea und Liberia hat die derzeit in Westafrika wütende Ebola-Epidemie vor einigen Monaten ihren Ausgang genommen. Seither hat die tödliche Infektionskrankheit laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Westen des Kontinents mehr als 1350 Menschen das Leben gekostet. Etwa 2500 Erkrankungen und Verdachtsfälle sind registriert worden. Nach Guinea, Liberia, Sierra Leone und Nigeria dürfte sich das Virus nun auch auf die Demokratische Republik Kongo ausgebreitet haben.

Andreas Vogel arbeitet als Logistiker für die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF), die seit Ende Juni in Kailahun ein Behandlungszentrum für Ebola-Infizierte betreibt und in der vordersten Reihe für die Eindämmung des Ebola-Virus kämpft. Gerade erst hat der Wiener eine zweitägige Schulung in Brüssel absolviert, bei der er gemeinsam mit anderen MSF-Mitarbeitern im Umgang mit Ebola-Infizierten geschult wurde. Danach ging es direkt nach Freetown und weiter nach Kailahun, wo er zwei Monate lang bleiben wird und sich um die Infrastruktur, den Nachschub, die Energieversorgung kümmern wird.

Nicht ohne Schutzanzug. Obwohl Vogel nicht Teil des medizinischen Personals ist und nicht direkt mit Ebola-Patienten arbeiten wird, hat natürlich auch er das gesamte Programm zum Thema Desinfektion und Hygiene durchgekaut: Wie ziehe ich den Schutzanzug an? Allein das dauert schon 20 bis 30 Minuten. Und wie ziehe ich den Schutzanzug, der mit Eboloa-Infizierten in Kontakt gekommen ist, wieder aus, ohne mich selbst anzustecken? „Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen.“ Material, das in die Quarantänestation mit hineingenommen werde, dürfe nicht wieder heraus. „Das muss verbrannt werden.“ Ständige Begleiter sind Latexhandschuhe und Chlorsprays. „Wie, wie oft und wann wird gesprüht?“ – all das sind Grundregeln, deren Beherzigung plötzlich lebenswichtig geworden ist.

Übertragen wird Ebola durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten eines Erkrankten. Schweiß, Speichel, Urin, Erbrochenes, Blut transportieren das Virus, eine Ansteckung endet in 90 Prozent der Fälle tödlich. Eine weitere Gefahr geht vom Fleisch von Wildtieren aus, wie etwa Affen oder Flughunde, die in vielen afrikanischen Ländern als Delikatessen gelten. Bis die Symptome auftreten, die ähnlich wie bei einer beginnenden Grippeerkrankung sind und mit inneren Blutungen enden können, vergehen zwischen zwei und 21 Tagen, meist aber acht bis zehn.

Großer Ansteckungsgefahr sind pflegende Familienmitglieder – also meist Frauen – ausgesetzt und auch Totengräber. „Die Leichen sind überhaupt am ansteckendsten“, sagt Vogel. „Das Immunsystem ist außer Funktion, das Virus kann sich frei ausbreiten.“ Schulungen im Umgang mit toten Körpern sind daher unumgänglich.

Von Dead Body Management spricht der Arzt Michael Kühnel, wenn es um die sachgerechte Beerdigung von an Ebola Verstorbenen geht. Der Tropenmediziner ist Mitarbeiter des Österreichischen Roten Kreuzes und war bis vor wenigen Wochen in Sierra Leone als Mitglied eines internationalen Teams unterwegs. Wichtig sei, dass bei Desinfektion und Beerdigung der Toten für die Menschen wichtige Riten zumindest ansatzweise eingehalten werden können.

„Der Leichnam und alles in der Umgebung im Haus muss mit Chlor besprüht werden, um Viren umzubringen.“ Der Leichnam müsse in zwei Leichensäcke gegeben, Matratzen sowie Schutzkleidung verbrannt werden. Durch die Unterstützung von religiösen Führern vor Ort sei es auch gelungen, die Menschen davon zu überzeugen, dass man „Tote auch ehren kann, wenn man für sie tanzt und singt – und sie nicht küssen und angreifen muss.“

Belastende Einsätze. Ob für den Mediziner Kühnel oder den Logistiker Vogel: Einsätze wie dieser sind „schon sehr speziell“. „Psychisch ist dieser Einsatz sehr anspruchsvoll“, sagt Vogel. Aufgrund des Krankheitsverlaufs und der hohen Sterblichkeitsrate der Patienten arbeite man in einer extremen Stresssituation. Die Patienten haben Angst, Gerüchte über das Virus sorgen für Verunsicherung in der Bevölkerung, die anstrengende Arbeit im Schutzanzug – all das erzeugt eine angespannte Situation. „Und sich selbst vor einer Ansteckung zu schützen, verursacht auch Stress“, sagt Vogel.

Dennoch: Weder er noch Kühnel haben Angst, sich selbst zu infizieren. Die Gefahr sei extrem gering, weil es Richtlinien für einen bestmöglichen Schutz gibt. „Wir sind doppelt und dreifach abgesichert“, erklärt Vogel. „Ich habe immer Respekt und halte mich nicht für unsterblich. Aber ich habe die Ausbildung und weiß, wie ich mich schütze“, sagt Kühnel. Die Gefahr einer Infektion bestehe nur dann, wenn man die klaren Richtlinien nicht befolge und Fehler mache. „Man muss mit dem Kopf dabei sein“, betont er.


Panik vor dem Virus.
Doch die Angst, die Verunsicherung und gar Panik, die Ebola auslöst, bekommt man auch in Europa zu spüren. Die Angst vor der tödlichen Krankheit, meist geschürt aus Unwissenheit, bestehe auch hier. Ebola hafte etwas „Mystisches und Unheimliches“ an. Einen nüchternen Zugang zu einer so bedrohlichen Krankheit zu finden ist sehr schwierig.

Das hat Andreas Vogel auch in seinem Familien- und Freundeskreis erfahren. „Die Presse am Sonntag“ hat er daher gebeten, nicht mit seinem richtigen Namen genannt zu werden. „Schon mit meiner eigenen Familie habe ich extreme Verunsicherung erfahren.“ Seine Schwester habe ihn ersucht, sich nach seiner Rückkehr mindestens drei Wochen von ihren Kindern fernzuhalten.

Dennoch sind sich beide Österreicher einig: Sie wollen humanitäre Hilfe leisten, auch in so schwierigen Situation wie derzeit in Sierra Leone.

Zahlen

1350Menschen sind bisher nach Ansteckung mit dem Ebola-Virus in Westafrika gestorben.

2500Erkrankungen und Verdachtsfälle sind registriert worden.

8-10Tage beträgt im Schnitt die Inkubationszeit.

Spendenaufruf "Ärzte ohne Grenzen"

Erste Bank AT43 2011 1289 2684 7600

Spendenzweck "Ebola"

www.aerzte-ohne-grenzen.at/ebola


("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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