KMU: „Der Mittelstand wird geknechtet“

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Die Politik kümmere sich nur um die Industrie, sagt Mittelstandsvertreter Herbert Wimberger. Mittelständler brauchten Maßnahmen gegen die Kreditklemme und differenzierte Gesetze, da sonst die Bürokratie überhandnehme.

Die Presse: Seit Monaten wird über die Steuerreform gestritten. Diese soll vor allem die Arbeitnehmer entlasten. Von einer Entlastung der Arbeitgeber durch eine Senkung der Lohnnebenkosten ist kaum die Rede. Ärgert Sie das?

Herbert Wimberger: Nein. Weil die Dimension, ab der eine Senkung der Lohnnebenkosten für kleine und mittelständische Betriebe tatsächlich relevant wäre, sowieso unrealistisch ist.

Wie hoch müsste die Senkung denn sein?

Mindestens zwei Prozent. Alles darunter ist für die Unternehmen ohne Bedeutung. Deshalb glaube ich, dass andere Maßnahmen einen größeren Hebel darstellen und leichter umsetzbar sind.

Zum Beispiel?

Den Verwaltungsaufwand bei geförderten Forschungsprojekten senken, Zugang zu Kapital schaffen – die Kreditklemme gibt es wirklich – und eine effektive Entlastung durch Bürokratieabbau. Ein Beispiel: Das Arbeitnehmerschutzgesetz hat 1209 Paragrafen, die ich als Unternehmer kennen müsste. Großunternehmen haben eigene Rechtsabteilungen, die nur dafür zuständig sind. Ein Klein- und Mittelbetrieb kann das nicht leisten. Und dieses Problem haben wir mit vielen Gesetzen. Wir werden quasi gezwungen, Gesetze zu missachten, weil der Arbeitsaufwand nicht erfüllbar ist. Deshalb sollte man eigentlich zwei differenzierte Gesetzeslagen schaffen: eine für die Industrie und eine für KMU (kleine und mittlere Unternehmen, Anm.), um diese nicht gänzlich zu überfordern.

Sie haben eben die Kreditklemme für KMU angesprochen. Was kann man tun, damit diese Firmen wieder Geld von Banken bekommen?

Da gibt es ein einfaches Mittel: darüber reden. Viele sagen ja, es gibt gar keine Kreditklemme. Wenn aber die österreichischen Banken jedes Jahr der Nationalbank melden müssten, wie viele Kredite sie an KMU vergeben, würde sehr schnell sichtbar werden, dass wir ein Problem haben. Man müsste da noch unterscheiden zwischen öffentlich gestützten und normalen Krediten. Dann würde deutlich, dass der Großteil der Kredite nur dann vorhanden ist, wenn eine öffentliche Haftung da ist. Und der Aufwand, diese Zahlen festzustellen, wäre gering.

Und das würde etwas bringen?

Das Thema Kreditklemme gibt es seit fünf Jahren und nichts ist passiert. Weil keiner tatsächlich Zahlen auf den Tisch legt. Da ist niemand in der Regierung, der sich das Thema anschaut. Dass die Banken mit den strengen Eigenkapitalbestimmungen Kredite nicht freiwillig herausrücken, ist klar. Da muss ein politischer Wille da sein.

Das heißt, es sollte mehr geförderte Kredite geben?

Das wäre die schnelle Lösung. Sinnvoll wäre aber, darüber nachzudenken, wie man die Eigenkapitalhinterlegung bei den Banken verbessert und wie man die Banken dazu bringen kann, mehr Mittel abzugeben. Es kann ja nicht sein, dass den Banken von der Europäischen Zentralbank Mittel für KMU zur Verfügung gestellt werden und die Banken die Mittel dann nicht weitergeben.

Was den Betrieben auch fehlt, sind die qualifizierten Facharbeiter. Woran hapert es?

Vor 50 Jahren kamen pro Jahr etwa 135.000 Kinder zur Welt, heute sind es 78.000. Davon erreichen 10.000 einen Hauptschulabschluss. Die restlichen 68.000 werden in die Universitäten gedrängt. Woher sollen dann die Fachkräfte kommen? Man müsste die Lehre in ihrer Bedeutung so hochpushen, dass sie in der Qualität und im Image vergleichbar mit einem Universitätsstudium ist. Finanziell gesehen hat sie diese Bedeutung ja schon. Ein guter Facharbeiter bekommt in den ersten Jahren bereits ein Bruttogehalt von etwa 2100 Euro. Ein Universitätsabgänger bekommt nicht mehr und hat außerdem ein Problem, eine Stelle zu finden.

Forschung und Entwicklung überlassen viele KMU den großen Unternehmen. Sollte man da mehr Anreize setzen, damit Innovationen auch in Kleinbetrieben möglich sind?

Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass nur Innovationen einen Hochlohnstandort wie Österreich weiterbringen. Die EU hat einen großen Topf Förderungen bereitgestellt. Nur ist da in den vergangenen Jahren in Österreich ein absurdes Kontrollsystem in Gang gesetzt worden, das einen Umkehreffekt bewirkt hat. Die administrativen Abwicklungen überborden und es gibt keine Rechtssicherheit. Deshalb sind Mittel aus Brüssel im Wert von einer Milliarde Euro in den letzten sieben Jahren nicht verwendet worden.

Die Interessen von KMU werden politisch nicht genug vertreten oder gar sabotiert?

Im letzten Regierungsprogramm steht die Abkürzung KMU genau dreimal drinnen. Damit wissen wir, dass wir von der Regierung kaum beachtet werden. Wir fordern, dass im Wirtschaftsministerium eine Stelle für KMU eingerichtet wird. Wenn Sie sich auf EU-Ebene den Small Business Act ansehen, werden Sie feststellen, dass da die Lösungen für die eben angesprochenen Probleme bereits drinstehen. Nur interessiert das hierzulande offenbar keinen. In den relevanten Gremien sitzen keine oder zu wenige Vertreter von KMU. Die Industrie hat das Geld und die Ressourcen, um Politik zu machen, KMU und Mittelstand werden geknechtet. Deshalb gibt es unter den Unternehmern eine große Verdrossenheit, die so noch nie da war.

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ZUR PERSON

KMU-Stimme. Herbert Wimberger, Geschäftsführer des Sanitär-Armaturenherstellers Wimtec, vertritt mit der Initiative Wirtschaftsantrieb am Punkt und als Verwaltungsrat des Österreichischen Gewerbevereins die Interessen kleiner und mittelständischer Betriebe. [ Wimtec ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.08.2014)

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