Baumafia: „Den Sozialstaat betrogen“

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Drei Mitglieder eines auf Betrug ausgelegten Baumafia-Netzes wurden verurteilt. Der Vorwurf: „Frontalangriff auf den Sozialstaat“.

Wien. Die „hervorragende Leistung" der Finanzpolizei und des Landeskriminalamts Wien habe „zum Durchbruch in diesem komplexen Fall geführt". Und: „Dieser Weg soll fortgesetzt werden, denn Steuer- und Sozialbetrug gehen auf Kosten der Allgemeinheit." Dies sagte der - nun zurückgetretene - Finanzminister, Michael Spindelegger, vor einigen Wochen. Einige seiner Spitzenbeamten verbreiteten die Erfolgsmeldung auf einer Pressekonferenz. Am Mittwoch rollte ein Wiener Gericht einen Teil dieses „komplexen Falles" auf. Es ging um ein Baumafia-Netzwerk. Und um Sozialbetrug in großem Stil.

Augenscheinlich ist nun die Differenz zwischen den Dimensionen, die von der Finanz verkündet wurden, und jenen, die das Gericht abhandelte. So sprach das Spindelegger-Ressort von mutmaßlich 7500 zum Schein angemeldeten Arbeitern. Von Arbeitern also, die von Mitgliedern des Netzwerks formal bei Briefkastenfirmen angemeldet worden seien. Allerdings: Diese Firmen hätten nie Sozialversicherungsbeiträge abgeführt. Ungefähr sechs Monate habe es jedes Mal in etwa gedauert, bis die Krankenkasse dies registriert habe. Dann seien die Scheinfirmen in Konkurs geschickt worden. Durch diese Masche sei dem Fiskus ein Schaden von 140 Millionen Euro entstanden.

Anders sah die Größenordnung im nunmehrigen Betrugsprozess aus, bei dem sich drei Männer (ein vierter meldete sich krank) - allen voran der großteils geständige Wiener Buchhalter U. (58) - zu verantworten hatten. Staatsanwältin Mona Konecny warf dem Trio aber „nur" 704 Scheinanmeldungen vor. Die Wiener Gebietskrankenkasse und die Bauarbeiterurlaubs- und Abfertigungskasse seien „mit einem Betrag von 1.759.355,29 Euro geschädigt" worden.

Dazu muss man sagen, dass es schon einen früheren Prozess gab. Dieser lief bereits vor der erwähnten Pressekonferenz. Aber auch dort ging es um wesentlich kleinere Dimensionen. Wolfgang A. (55) - er war nun erneut angeklagt - wurde in diesem früheren Prozess wegen der Scheinanmeldung von 33 Dienstnehmern zu zwei Jahren teilbedingter Haft (nicht rechtskräftig) verurteilt. Die Anklage hatte ursprünglich von 300 Fällen gesprochen. Dieses Ausmaß ließ sich aber nicht beweisen. Sollte es also tatsächlich um die 7500 Scheinanmeldungen gegeben haben, wie die Finanz schätzt, so hinkt die gerichtliche Aufarbeitung diesem Verdacht weit hinterher.
Worauf war die Baumafia aus? Laut Anklage galt es, Bauarbeiter in Unternehmen anzumelden, die operativ nie in Erscheinung traten. Diese Unternehmen dienten nur als „Anmeldevehikel". In Wahrheit arbeiteten die zum Schein angemeldeten Kräfte für andere Unternehmen. Oder auf eigene Rechnung. Jedenfalls schwarz, also ohne dass Lohnabgaben an die Finanz abgeführt wurden. Überdies konnten Scheinfirmen bei Ausschreibung von Aufträgen zu Dumpingpreisen anbieten und die - mit redlichen Preisen kalkulierende - Konkurrenz sehr oft aus dem Feld schlagen. Flog das Ganze auf, wurden die Scheinfirmen eben in die Insolvenz geschickt. Und neue Scheinfirmen gegründet.

Die „Beichte" des Buchhalters

Einen „Frontalangriff auf den österreichischen Sozialstaat" nannte dies die Staatsanwältin. Der Anwalt von A., Klaus Ainedter, konterte: „Arbeitgeber der Bauwirtschaft müssen am Rande der Legalität arbeiten - wollen sie überleben."
Buchhalter U. setzte seine „Lebensbeichte" fort. Da er bereits 22 Vorstrafen hat und schon im früheren Prozess wegen gewerbsmäßigen Betrugs vier Jahre Haft ausgefasst hat, wollte er nun Gutpunkte sammeln. Die Rechnung ging auf: U. erhielt eine moderate Zusatzstrafe von sechs Monaten Haft, A. bekam zwei Jahre, auch der dritte Mann wurde erneut verurteilt. Bei ihm verzichtete das Gericht auf eine Zusatzstrafe. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.08.2014)

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