Die drei Herkulesaufgaben für Schelling

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Auf Hans Jörg Schelling wartet viel Arbeit. Die entscheidenden Herausforderungen für das neue ÖVP-Regierungsmitglied sind die Steuerreform, die Problembanken und der Umgang mit den Ländern.

Wien. Heute, Montag, wird Hans Jörg Schelling als neuer Finanzminister angelobt. Der ehemalige Geschäftsführer der Möbelkette Lutz und bisherige Vorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger wurde am Sonntagnachmittag in einer Sitzung des ÖVP-Vorstandes in Linz offiziell bestätigt. Neben Schelling wurde wie erwartet auch Harald Mahrer als neuer Staatssekretär ins Wirtschaftsministerium von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bestellt. Erstmals seit dem Ende der schwarz-blauen Regierung im Jahr 2006 übernimmt also der Wirtschaftsflügel wieder die Führungsrolle in der ÖVP.

Für Schelling ist der Sieg im parteiinternen Kampf gegen den Arbeitnehmerflügel nur der Beginn einer viel größeren Herausforderung. So hinterließ ihm der in der Vorwoche überraschend zurückgetretene Michael Spindelegger eine ganze Reihe von Aufgaben. Drei Herausforderungen werden dabei entscheidend sein, ob Schellings Zeit als Finanzminister von Erfolg gekrönt sein wird:

1) Er muss die Steuern auf Arbeit senken, ohne das angepeilte Nulldefizit zu gefährden.

Mehr netto vom Brutto – dieser Ruf ertönt von SPÖ, Gewerkschaft und Teilen der ÖVP. Schelling wird schnell eine Steuerreform entwerfen müssen, die den Arbeitnehmern eine Entlastung zumindest in Aussicht stellt. Dies ist auch nötig: So wird allein durch die kalte Progression laut aktueller Budgetplanung das Aufkommen der Lohnsteuer bis 2018 um 30 Prozent auf 31,9 Milliarden Euro ansteigen. Die Lohnsteuer steigt damit deutlich stärker als alle anderen Steuern. Eine Entwicklung, die auch von führenden Ökonomen wie IHS-Chef Christian Keuschnigg und Wifo-Chef Karl Aiginger als problematisch erachtet wird.

Allerdings darf Schelling den Budgetpfad nicht gefährden, nach dem die Republik bis 2016 ein „strukturelles Nulldefizit“ (maximal 0,45 Prozent Neuverschuldung ohne Einmaleffekte) schaffen will. Langfristige Reformen – so sie überhaupt auf Schiene gebracht werden – dürften für die kurzfristige Gegenfinanzierung einer Arbeitnehmerentlastung nicht ausreichen. Die SPÖ fordert daher Vermögensteuern, die von der ÖVP aber abgelehnt werden. Ein möglicher Kompromiss ist eine Erhöhung der Grundsteuer.

2) Er muss Problembanken bereinigen, ohne die Verschuldung hochschnellen zu lassen.

Schellings Vorgänger Spindelegger hat sich gegen eine Insolvenz der Hypo entschieden und eine Bad Bank gegründet. Über vier Milliarden Euro hat die Hypo den Staat bereits gekostet. Um wie viele Milliarden der Betrag noch ansteigt, wird man erst in 20 Jahren wissen, wenn alle schlechten Assets – die mit 17 Milliarden Euro Buchwert in die Bad Bank übernommen werden – abverkauft sind. Laut Hypo sollen es maximal weitere vier Milliarden sein. Hinzu kommt das Prozessrisiko aus dem Schuldenschnitt für nachrangige Investoren und die BayernLB. Diese hatten Anleihen mit Kärntner Landeshaftung gekauft, die per Gesetz für ungültig erklärt wurde, bzw. Kredite vergeben. Gewinnen sie vor Gericht, droht eine weitere Milliardenzahlung.

Doch die Hypo ist nicht einmal das drängendste Problem. So dürfte das teilverstaatlichte Volksbanken-Spitzeninstitut ÖVAG beim Stresstest der EU durchfallen und noch im Herbst eine neue Kapitalspritze von bis zu einer Milliarde brauchen.

3) Er muss Reformen antreiben, ohne ÖVP-Bünde, Länder und SPÖ zu stark herauszufordern.

Nicht nur sachpolitisch kommt auf Schelling viel zu. Auch machtpolitischen Druck gilt es auszuhalten. Ob Landeshauptleute, ÖVP-Bünde oder Koalitionspartner SPÖ: Sie alle haben eine lange Wunschliste an Schelling und spielen ihr eigenes Spiel. Michael Spindelegger brach unter dieser Last schließlich politisch zusammen, weil sein Credo (keine rasche Steuerreform, weil sie noch nicht leistbar sei) auf zu starken Gegenwind stieß.

Schelling muss Reformen vorantreiben, ohne Landeschefs oder Partei- und Regierungskollegen zu sehr herauszufordern. Ein schmaler Pfad. Im Streitfall droht etwa Ärger aus Niederösterreich. Der mächtige Landeshauptmann Erwin Pröll ist kein Fan von Schelling, weil dieser in der Vergangenheit Niederösterreichs Spitalspolitik rügte. Schlussendlich stimmte auch Pröll zu, dass Schelling als Wunschmann von Mitterlehner Finanzminister wird. Doch diese Stimmung kann im Streitfall wieder rasch umschlagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.09.2014)

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