Der gemeinsame Kampf der Kurden gegen IS

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Die Rivalitäten unter den zahlreichen Kurdenfraktionen sind nach wie vor nicht beigelegt. Mit dem Islamischen Staat haben die Kurden aber einen gemeinsamen Feind.

Es sind Erfolgsmeldungen, die zeigen, dass auch die gefürchteten Extremisten des Islamischen Staates (IS) nicht unbesiegbar sind. Nach der Sprengung des IS-Belagerungsringes um Amerli wurde nun auch der Ort Sulaiman Bek von einer Allianz aus irakischer Armee, schiitischen Milizen und kurdischen Kräften zurückerobert. Die USA unterstützen die Aktionen mit Luftangriffen. Die Bedrohung durch den äußeren Feind IS hat innerhalb der Kurden zu einem engeren Zusammenrücken geführt. Zwar sind die internen Rivalitäten nicht beigelegt. Doch alle wichtigen Fraktionen beteiligen sich am Kampf gegen IS.


Demokratische Partei Kurdistans (PDK): Die Partei ist der gewichtigste Player in der Autonomen Region Kurdistan im Irak. PDK-Chef Massud Barzani ist Präsident der Kurdenregion. Sein Neffe Neçirvan Idris Barzani, ebenfalls PDK-Funktionär, hat das Amt des Premiers inne. Bei den letzten Wahlen für das Parlament der Kurdenregion im September 2013 trug die eher konservativ ausgerichtete Partei einen deutlichen Sieg davon. Die Machtbasis der PDK liegt im Nordwesten der Kurdenregion rund um Dohuk und die Hauptstadt Erbil. Präsident Barzani gilt als Verbündeter des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Nach dem Sturz des irakischen Diktators, Saddam Hussein, 2003 hat Ankara die Bildung einer autonomen Kurdenregion im Nordirak noch mit Missfallen betrachtet. Mittlerweile ist die Türkei der wichtigste Handelspartner der Kurdenregion. Barzani ist auch die Ansprechperson der USA und der EU. Die amerikanischen und europäischen Waffenlieferungen sollen an die Peschmerga-Truppen der Kurdenregion fließen.

Patriotische Union Kurdistans (PUK):Die Partei ist die große Konkurrentin der PDK. Langjähriger Führer der Patriotischen Union Kurdistans ist Barzanis alter Rivale Jalal Talabani. In den Neunzigerjahren wurde der Machtkampf zwischen PDK und PUK mit Waffengewalt ausgetragen. Nach dem US-Einmarsch im Irak 2003 teilten sich Barzani und Talabani gleichsam die Macht. Während Barzani die Präsidentschaft in der Kurdenregion übernahm, wurde Talabani Präsident des Irak – ein Amt, das er erst vor Kurzem aus gesundheitlichen Gründen aufgab. Die Machtbasis der PUK liegt im Südosten der Kurdenregion rund um Suleimania. Bei den Wahlen 2013 wurde die PUK stark geschwächt, da viele ihrer Anhänger zur Reformbewegung Goran überliefen.

Die PUK ist an der Regierung der Kurdenregion beteiligt. Ihre Peschmerga sind so wie die Peschmerga der PDK offiziell Teil der gemeinsamen Sicherheitskräfte, die nun mit Waffen aus Europa und den USA ausgerüstet werden sollen. Obwohl sie theoretisch unter einem Kommando stehen, treten die Peschmerga von PDK und PUK in einigen Frontabschnitten cals eigenständige Einheiten auf: etwa in Kirkuk oder in Makhmur, wo PUK-Peschmerga an der Seite der türkisch-kurdischen PKK gegen den Islamischen Staat kämpften. Peschmerga der Kurdenregion eroberten den strategisch wichtigen Staudamm nahe der Stadt Mossul von IS zurück. Und Peschmerga-Einheiten waren nun bei der umzingelten Stadt Amerli im Einsatz.

Arbeiterpartei Kurdistans (PKK): Mit dem Vormarsch des IS hat die PKK in der Region an Einfluss gewonnen (siehe nebenstehenden Artikel). Denn es waren vor allem kampferprobte Einheiten der PKK und ihrer syrischen Schwesterpartei PYD, die sich dem IS entgegenstellten. Von ihrem Hauptquartier in Qandil und ihren Rückzugsgebieten an der irakisch-türkischen Grenze aus rückten PKK-Kämpfer vor. Die „Volksverteidigungskräfte“ (HGP), der bewaffnete Arm der PKK, spielten die tragende Rolle bei der Verteidigung der Stadt Makhmur. Sie unterstützten die Peschmerga bei Kirkuk.

Die PKK wurde 1978 gegründet und vermischt linke Ideologien mit dem Wunsch nach einer „nationalen Befreiung“ der Kurden. Ab 1984 tobte in der Türkei ein Untergrundkrieg zwischen PKK und türkischem Militär, der bis 2013 etwa 40.000 Menschen das Leben kostete. Mittlerweile hat die PKK die Forderung nach einem eigenen Kurdenstaat aufgegeben. PKK-Chef Abdullah Öcalan, der sich seit 1999 in türkischer Haft befindet, verhandelt derzeit mit Ankara über eine dauerhafte Friedenslösung.

•Partei der Demokratischen Union (PYD):
Sie gilt als syrische Schwesterpartei der PKK und spielt im Kampf gegen den IS eine wichtige Rolle. Die „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG), der bewaffnete Arm der PYD, verteidigen seit vielen Monaten Syriens Kurdengebiete gegen massive IS-Angriffe. Als der IS Anfang August die yezidischen Siedlungsgebiete rund um Sinjar attackierte, rückten YPG-Einheiten von Syrien in den Nordirak vor, um der bedrängten Minderheit zu Hilfe zu eilen. Die YPG kämpfte einen Korridor frei, über den die Yeziden aus den Bergen fliehen konnten. „Wir kämpfen gegen denselben Feind und brauchen natürlich Unterstützung“, sagte der Chef der Partei der Demokratischen Union, Salih Muslim, vor zwei Wochen im „Presse“-Interview über westliche Waffenlieferungen. Doch seine Kämpfer und die PKK gehören vorerst nicht zu den Gruppen, die aufgerüstet werden. Denn die PKK steht nach wie vor auf der Terrorliste von EU und USA.

Demokratische Partei Kurdistans – Iran (PDKI): Sie kämpft seit Jahrzehnten um mehr Rechte im Iran. Ihr damaliger Vorsitzender, Abdul Rahman Ghassemlou, wurde 1989 von einem iranischen Kommando in Wien ermordet. Auch Peschmerga der PDKI beteiligten sich nun an den Gefechten gegen den IS. Sie waren vor allem in Makhmur im Einsatz. Wegen Drucks aus dem Iran sollen sie von der kurdischen Regionalregierung aber zum Abzug gebeten worden sein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.09.2014)

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