Späte Kampfansage der Araber gegen IS

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Saudiarabien und Katar förderten den Aufstieg der IS-Jihadisten. Nun sollen sie mit Erzrvialen Iran und der Türkei eine Allianz schmieden.

Kairo. „Die Bedrohung des Terrorismus wird Europa und Amerika erreichen, wenn wir uns ihm nicht gemeinsam entgegenstemmen“, erklärte der saudische König Abdullah jüngst bei einem Empfang ausländischer Botschafter in Dschiddah. Es war ein Appell Saudiarabiens an den Rest der Welt, eine Antiterrorfront gegen den Islamischen Staat (IS) zu schmieden, wie dies derzeit US-Außenminister John Kerry versucht. Auch der Mufti des Landes, der oberste geistliche Wahabit, erklärte IS unlängst zum „Feind Nummer eins“.

Aber das Königshaus in Riad kämpft dabei um seine Glaubwürdigkeit. Der Botschafter in London fühlte sich sogar genötigt, auf einen Artikel in der „Financial Times“ zu antworten, der schwere Vorwürfe gegen die saudischen Scheichs erhob. Sie hätten, so heißt es darin, „Tankerladungen eines quasi totalitären religiösen Dogmas und Pipelines voller freiwilliger Jihadisten exportiert“.

Symbiose mit Wahhabiten

Es ist das alte Spiel: Das Königreich legitimiert seine Macht mit erzkonservativen Interpretationen des Islam, die für zahlreiche militant-islamistische Gruppen die ideologische Grundlage darstellen. Die Symbiose zwischen der weltlichen Macht der Saud-Dynastie und den wahhabitischen Scheichs, die ihm mit ihrem ideologischen Überbau die religiöse Legitimität verleiht, ist indes nicht ohne Spannungen. Und das spiegelt sich im komplexen Verhältnis zum IS.

Militante Gruppen wurden jahrelang aus saudischen Privatkassen gesponsert, und man drückte ein Auge zu, wenn junge Saudis zum Jihad ins Ausland fuhren. Der saudische Geheimdienst kochte in Syrien sein eigenes Süppchen. Man wollte Assad loswerden und hoffte, mit der Finanzierung und Bewaffnung der Jihadisten ein Gegengewicht zu Assad zu schaffen, das man dann steuern und kontrollieren kann. Der Rücktritt Prinz Bandars, des saudischen Geheimdienstchefs – und Architekten dieser Politik –, im Frühjahr wurde vielfach als Eingeständnis des Scheiterns gewertet. Saudiarabien hatte in Syrien einen Geist aus der Flasche geholt, der sich nicht mehr zurückstopfen ließ.

Jetzt erst reagierte Riad. Die Monarchie stellte Jihad-Reisen nach Syrien unter eine strenge Strafe. Der IS führt aber längst ein Eigenleben und hat seine saudischen Geburtshelfer nicht mehr nötig. Der Beutezug in den irakischen Banken Mosuls, bei denen ihnen eine halbe Milliarde Dollar in die Hände fiel, und der Ölschmuggel macht die Extremisten unabhängig von ausländischer Hilfe. Auf Waffenlieferungen sind sie auch nicht mehr angewiesen, seit sie Waffendepots im Irak und in Syrien geplündert haben. Der direkte saudische Einfluss auf den IS ist verschwunden.

Die Saudis geben zehn Prozent des Staatshaushalts für moderne Waffensysteme aus, die Militärausgaben liegen weltweit an vierter Stelle. Angesichts dieser Zahlen fragen Kolumnisten in der arabischen Welt, warum das Land die militärische Hardware nicht gegen den IS einsetzt und stattdessen den Westen um Intervention bittet.

Annäherung an den Iran

Die arabische Diplomatie kommt nur allmählich in Schwung. In der Arabischen Liga herrscht hinter den Kulissen die Überzeugung vor, dass nur ein Sturz Assads dem IS das Wasser abgraben kann. Allerdings kollidiert diese Ansicht mit einer iranischen Initiative, die eine Übergangsperiode unter Assad vorschlägt. Eine Annäherung zwischen den Erzfeinden Saudiarabien und Iran gilt als Schlüssel für die Lösung des Konflikts, der in vielerlei Hinsicht ein Stellvertreterkrieg der beiden Regionalmächte ist. Der Besuch des iranischen Vizeaußenministers jüngst in Riad war womöglich ein Indiz dafür.

Die Golfstaaten, vereint im Golfkooperationsrat (GCC), gehen indessen daran, die schweren Differenzen mit Katar auszuräumen. Vor allem Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate stützen Ägyptens scharfen Kurs gegen die Muslimbruderschaft, Katar wiederum zählt zu deren größten Unterstützern. Saudiarabien, die Emirate und Bahrain überlegen sogar, ihren Botschafter wieder nach Katar zu entsenden. Der Versuch, die Reihen am Golf zu schließen, ist ein weiteres Zeichen, wie bedroht man sich in der Nachbarschaft von Syrien und dem Irak inzwischen vom IS fühlt. Um eine effektive Allianz gegen die Jihadisten zu formen, müssen neben der Türkei auch Saudiarabien, der Iran und Katar mit an Bord geholt werden.

Schlüsselrolle für Ägypten

Und Ägypten, die größte arabische Militärmacht? Bei seinem Amtsantritt als Präsident hatte Adel Fattah al-Sisi erklärt, die „arabische Sicherheit“ sei für ihn eine „rote Linie“; die Sicherheit am Golf sei untrennbar von der eigenen Sicherheit. Im Gegenzug pumpten die Saudis, die Emirate und Kuwait Milliarden Dollar nach Kairo. Der Deal, dass die Golfstaaten das politische Überleben Sisis und das wirtschaftliche Ägyptens mit Petrodollars und Ölexporten sichern, hat aber auch für Ägypten einen Preis. Im Gegenzug erwarten die autokratischen Golfstaaten nicht nur, dass Sisi in Ägypten alle Experimente eines arabischen Wandels zurückrollt. Umgekehrt soll die ägyptische Armee für die Sicherheit der Golfstaaten sorgen. Doch Kairo ist vollauf mit sich selbst beschäftigt – und mit der Eskalation im Nachbarland Libyen.

AUF EINEN BLICK

Allianz gegen IS. US-Außenminister Kerry soll eine Koalition gegen den Islamischen Staat (IS) schmieden, unter besonderer Beteiligung der gespaltenen arabischen Welt. Saudiarabien und Katar haben sich inzwischen zwar gegen die Islamisten gewandt, müssen aber erst ihre Differenzen ausräumen. Für die schiitische Republik Iran sind die sunnitischen IS-Gotteskrieger Erzfeinde. Ägypten kämpft mit anderen Problemen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.09.2014)

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