Kommentar. Dramatisch ist nicht der Zinsschritt der Europäischen Zentralbank an sich, sondern das Signal, das er abliefert.
Vordergründig sieht die überraschende Senkung der Euro-Leitzinsen (samt Erhöhung der Strafzinsen für Bankeinlagen bei der EZB) eher nach Verzweiflungsakt als nach großem Konjunkturstimulus aus: Wer sich zu 0,15 Prozent kein Geld ausgeborgt hat, der wird es auch zu 0,05 Prozent nicht tun. Da liegt die Verweigerung nicht am Zinssatz. Und Banken, die lieber 0,1 Prozent an Strafzinsen für Einlagen bei der Notenbank bezahlen, als das Geld in die Wirtschaft zu pumpen, werden auch von 0,2 Prozent Negativverzinsung nicht besonders abgeschreckt werden.
Dramatisch ist also nicht der Zinsschritt an sich, sondern das Signal, das er abliefert: Die Konjunktur im Euroraum ist offenbar viel schwächer, als wir bisher glaubten. Und wir werden darauf vorbereitet, dass die EZB bald die wirklich schweren (und riskanter zu bedienenden) Geschütze auspacken wird müssen, um einen neuerlichen Absturz a la 2008 zu verhindern. So gesehen ist die weitere Verbilligung des EZB-Geldes nicht die allerbeste Nachricht. Einen Effekt hat der Schritt allerdings schon gehabt: Der Euro ist, wie gewünscht, gegen den Dollar augenblicklich relativ kräftig gesunken. Und das hilft der exportorientierten europäischen Wirtschaft wirklich sofort. Die Weichmacher von der EZB haben also einen kleinen Augenblickserfolg gelandet. Eine Konjunktur, die überwiegend auf Abwertungseffekten beruht, ist allerdings alles andere als nachhaltig. Sonst hätte nämlich Italien, wo das zu Lire-Zeiten sozusagen Staatsdoktrin war, als stärkste Volkswirtschaft in die Eurozone gehen müssen.
E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com