ÖVP: Neue Köpfe, neue Positionen?

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Am Donnerstag startete die Volkspartei den Erneuerungsprozess ihres Parteiprogramms. Neo-Obmann Reinhold Mitterlehner nutzte die Chance, um sich zu inszenieren – und wünscht sich eine „Amtszeitgarantie“.

Wien. Geplant war es zwar nicht. Für die ÖVP schien das Timing aber perfekt: Nur wenige Tage nach den Personalrochaden in den eigenen Reihen fand am Donnerstag der Kick-off zum Reformprozess des ÖVP-Programms statt. So wurde gleich in zweierlei Hinsicht eine Aufbruchstimmung signalisiert: zum einen mit dem neuen Papier, das im Jahr 2015 fertig ausgearbeitet werden soll (das alte ist immerhin schon 20 Jahre alt). Zum anderen mit den neuen Köpfen an der Parteispitze.

Vor allem aber mit einem Kopf: Für Reinhold Mitterlehner war es der erste Auftritt vor größerem ÖVP-Publikum nach seiner Ernennung zum Parteichef. Immerhin 300 Funktionäre und Sympathisanten waren in der EMS-Lounge versammelt. Das nutzte Mitterlehner auch – in erster Linie, um sich zu inszenieren und sich von seinem Vorgänger Michael Spindelegger abzugrenzen. „Mit dem neuen Team haben wir mehr Qualität“, sagte er. Die Politik habe in der Vergangenheit den Fehler gemacht, zu sehr makroökonomisch zu agieren – den Bürger habe man dabei oft vergessen.

Änderungen wünsche er sich aber auch im Bereich der Familienpolitik: Das Leitbild „Vater, Mutter, Kind mit Ehe“ treffe heute vielleicht noch auf 20 oder 30 Prozent zu, der Rest verfolge in der heutigen Zeit aber andere Lebensentwürfe. „Das sehe ich als Aufgabe, dass wir uns da bewegen“, sagte Mitterlehner.

Wie das im Detail aussehen wird, soll im nächsten Jahr feststehen: Bei einem sogenannten Reformparteitag soll über das neue Programm abgestimmt werden. Auch eine Urabstimmung ist (noch) nicht ausgeschlossen. Bis dahin werden aber noch Ideen gesammelt:  Bis zum 30. November sollen sich explizit auch Nichtmitglieder einbringen, wie Generalsekretär Gernot Blümel erklärte. Auf einer eigens erstellten Internetplattform sollen Interessierte ihre Ideen festschreiben können. Die dort deponierten Themen sollen dann von den Mitgliedern weiterdiskutiert und dann darüber abgestimmt werden.
Einige Vorschläge findet man bereits auf der Homepage: Außenminister Sebastian Kurz plädiert dort etwa für ein „echtes Vorzugsstimmensystem auf Bundesebene“. Wer die meisten Stimmen bekomme, solle auch das Mandat bekommen.

An der Reform, die auf den Namen „Evolution Volkspartei“ hört, ist aber auch Neo-Staatssekretär Harald Mahrer beteiligt. Ziel sei „nicht der kleinste gemeinsame Nenner, sondern die größte mögliche Vielfalt“, sagte er. Und: „Ich glaube daran, dass wir die ÖVP wieder nach vorne bringen können.“

Internationale Unterstützung

Unterstützung für die sogenannte Evolution holte sich die ÖVP am Donnerstag auch von ihren Schwesterparteien aus der Schweiz, Deutschland und Südtirol. Auch wenn diese nicht nur Vorschläge einbrachten, die auch für Österreich vorstellbar wären.

So wie beim Chef der Südtiroler Volkspartei (SVP), Philipp Achammer, der von der Amtsbeschränkung auf verschiedenen Ebenen in Südtirol erzählt: Bei der Kommunalwahl im Jahr 2010 konnte daher mehr als die Hälfte der Bürgermeister nicht mehr antreten. „Da sind die Türen wieder geöffnet, da findet Wettbewerb statt.“

Mitterlehner sah das etwas anders: „In der ÖVP beträgt die durchschnittliche Amtszeit eines Obmanns 4,3 Jahre. Wenn, dann brauchen wir eine Amtszeitgarantie“, sagte er nicht ganz ernst gemeint. Ganz allgemein versuchte sich die ÖVP betont gut gelaunt zu präsentieren. Am Ende der Veranstaltung wurde der Song „Django“ gespielt – angelehnt an den CV-Namen Mitterlehners. Vielleicht war ein kleines Umfragehoch Grund für die Laune: Laut einer Unique-Research-Befragung für „Heute“ klettert die Partei nach dem Wechsel von 20 auf 24 Prozent.

Auf einen Blick

„Evolution Volkspartei“ nennt sich der Reformprozess der ÖVP, bei dem ein überarbeitetes Parteiprogramm entstehen soll: Am Donnerstag fand in der Wiener EMS-Lounge die Auftaktveranstaltung statt. Bis zum 30. November können sich auch Nichtmitglieder einbringen: Auf der Plattform www.evolution.oevp.at werden Vorschläge und Ideen gesammelt. Der „Reformparteitag“ soll zum 70. Geburtstag der ÖVP im Jahr 2015 stattfinden, dann wird über das Parteiprogramm abgestimmt. Federführend für den sogenannten Evolutionsprozess sind Generalsekretär Gernot Blümel, Dietmar Halper, Direktor der Politischen Akademie sowie Neo-Staatssekretär Harald Mahrer zuständig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.09.2014)

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