Staatsoper: Generalmusikdirektor Welser-Möst tritt zurück

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Als Grund für seinen Abschied nennt Welser-Möst "künstlerische Auffassungsunterschiede" mit Direktor Dominique Meyer: "Meyer ist als Direktor die Nummer eins. Aber ich muss die Konsequenzen ziehen".

Der Dirigent Franz Welser-Möst hat mit sofortiger Wirkung seinen Rücktritt als Generalmusikdirektor der Wiener Staatsoper erklärt. Den Amtsverzicht habe er dem Direktor Dominique Meyer bereits in einem Brief mitgeteilt, hieß es am Freitag in einer Aussendung von Welser-Möst. Der Grund liegt demnach "in den, seit längerer Zeit bestehenden, Auffassungsunterschieden in künstlerischen Belangen".

Die Auffassungsunterschiede seien auch in mehreren Gesprächen nicht aufzulösen gewesen, heißt es in der Aussendung weiter. Welser-Möst legt zudem alle für die Saison 2014/15 vorgesehenen Dirigate und Neuproduktionen zurück.

Welser-Möst leitete das Haus am Ring seit 2010 gemeinsam mit Meyer. Vor zwei Jahren wurde der Vertrag der beiden bis 2018 verlängert.

"Meyer hat in künstlerischen Dingen andere Meinungen"

"Es gibt Differenzen über die künstlerische Ausrichtung des Hauses, die nicht von heute auf morgen entstanden sind. Dominique Meyer ist als Direktor die Nummer eins. Er ist ein sehr netter Mensch und hat in künstlerischen Dingen andere Meinungen. Das steht ihm auch zu. Aber dann muss ich die Konsequenzen ziehen", begründete Welser-Möst gegnüber der APA seinen Rücktritt.

Sein Entschluss sei nicht ad hoc gefasst worden, sondern langsam gereift. "Ich habe den Direktor dann heute Früh um 10 Uhr persönlich davon informiert und ihm auch mein Rücktrittsschreiben überreicht. Er hat gefasst und ruhig reagiert. Er hat nichts gesagt", so Welser-Möst.

Über Details der künstlerischen Differenzen wolle er nicht sprechen. "Da geht es um Sänger und Dirigenten, da geht es um den ganzen Bereich, der die künstlerische Ausrichtung des Hauses ausmacht." Dass er gleichzeitig mit seinem Rücktritt als Generalmusikdirektor auch seine Dirigate zurückgelegt habe, begründete er damit, "Abstand gewinnen" zu müssen. "Das kann ich aber nicht, wenn ich ihm Haus bin. Glauben Sie mir: Das ist eine für mich sehr schmerzliche Entscheidung. Gerade nach diesem besonders glücklichen 'Rosenkavalier' in Salzburg fällt es mir nicht leicht, auf die weitere Zusammenarbeit mit diesem Orchester (die Wiener Philharmoniker stellen das Staatsopernorchester, Anm.) zu verzichten."

Meyer: "Meine Sorge ist, Ersatz zu finden"

Welser-Mösts Rücktritt "ist natürlich ein großer Verlust und auch persönlich tut mir dieser Schritt sehr leid, denn ich schätze Franz Welser-Möst als Künstler und Dirigenten sehr", so Meyer in einer Aussenung. "Meine Sorge und erste Aufgabe ist es nun, so rasch wie möglich adäquaten Ersatz für die Aufführungen zu finden, die er 2014/2015 an der Wiener Staatsoper hätte dirigieren sollen: immerhin 34 Vorstellungen, darunter die zwei mit ihm geplanten Premieren von Rigoletto und Elektra."

Reaktion der Philharmoniker

"Völlig überrascht" reagierten die Wiener Philharmoniker auf den Rücktritt von Welser-Möst. "Wir bedauern diesen Schritt außerordentlich", so der seit Monatsbeginn amtierende Vorstand der Philharmoniker, Andreas Großbauer, in einer Aussendung. "Die Entscheidung trifft die Wiener Staatsoper zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt - am Saisonbeginn."

Die Philharmoniker, die das Orchester der Staatsoper stellen, versicherten Meyer jedenfalls "unsere volle Solidarität und Unterstützung in dieser schwierigen Situation, damit die im Spielplan vorgesehenen Aufführungen durchgeführt werden können".

Vermittlungsversuche scheiterten

Am Donnerstag hat es noch ein Vermittlungsgespräch zwischen dem interimistischen Bundestheater-Holding-Chef Günter Rhomberg, Meyer und Welser-Möst stattgefunden, bei dem es keine Annäherung gegeben hat, so die APA. Auch die Telefonate, die Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) nach der Bekanntgabe von Welser-Mösts Rücktritt heute mit diesem sowie mit Meyer und Rhomberg geführt hat, fruchteten nicht.

"Die Entscheidung des Generalmusikdirektors ist unumstößlich. Es wird daher keine weiteren Vermittlungsversuche geben. Es bleibt uns daher nichts übrig, als die Entscheidung mit Bedauern zur Kenntnis zu nehmen", erklärte ein Ostermayer-Sprecher. Am Zug seien nun die Staatsoper und die Bundestheater-Holding.

Welser-Möst hätte diese Saison 34 Mal dirigieren sollen

Welser-Möst war für die Saison 2014/15 insgesamt 34 Mal am Pult der Wiener Staatsoper vorgesehen, allen voran für die Neuinszenierungen von Verdis "Rigoletto" (Premiere am 20. Dezember) und von Richard Strauss' "Elektra" (Premiere am 29. März 2015) sowie bei der Ballettpremiere "Verklungene Feste / Josephs Legende" (4. Februar 2015).

Zudem sollte er ab November erneut für Leos Janaceks "Das schlaue Füchslein" und ab Dezember für Verdis "La Traviata" und auch für "Die Zauberflöte für Kinder" mit den Wiener Philharmonikern zum Taktstock greifen.

Streit um zu viele Opernaufführungen in Salzburg

Dass der meist konziliant erscheinende Welser-Möst durchaus Zähne zeigen kann, hat er in der Vergangenheit öfter bewiesen. So hatte er im Dezember 2012 den Salzburger Festspielen seine Mitwirkung an einem zentralen Projekt der Jahre 2013, 2014 und 2015 - einem dreijährigen Mozart-Da Ponte-Zyklus - abgesagt. Der Hauptkritikpunkt waren die zu kurzen Abstände zwischen den Aufführungen. Die Stimmung zwischen ihm und Festspielchef Alexander Pereira kühlte daraufhin merklich ab.

Im April hatten Opernfans Anlass, sich Sorgen um den Gesundheitszustand des Generalmusikdirektor szu machen. Welser-Möst war am Ostersonntag beim "Parsifal" am Dirigentenpult zusammengebrochen. Meyer sprach von einem Kreislaufkollaps.

Tournee mit Cleveland Orchestra steht

Mit dem Cleveland Orchestra wird Welser-Möst programmgemäß seine Tournee absolvieren und am 13. September in Linz sowie in den Tagen darauf auch im Rahmen einer Residenz Konzerte im Wiener Musikverein und im Konzerthaus bestreiten, kündigte der Dirigent an. "Ich habe ja nichts gegen Wien."

Zur Person

Franz Welser-Möst wurde am 16. August 1960 als Franz Möst geboren. Ursprünglich wollte er Geiger werden, die Folgen eines Autounfalls verbauten ihm diesen Weg. Im Linzer Musikgymnasium wurde er von dem Komponisten Balduin Sulzer unterrichtet, der die Weichen für seine Karriere stellte. Sulzer beauftragte ihn, Probearbeiten zu übernehmen. Aus dem Schülerorchester entstand das Jeunesse-Orchester. Welser-Möst – den zweiten Nachnamen wählte er als Reverenz an seine oberösterreichische Heimat – leitete es bis 1985.

Im selben Jahr gab er sein Debüt bei den Salzburger Festspielen, ein Jahr später hob die internationale Karriere mit dem Debütkonzert beim London Philharmonic Orchestra an, dessen Musikdirektor er von 1990 bis 1996 wurde.

In den USA dirigierte er erstmals 1989 beim Saint Louis Symphony Orchestra. An der Zürcher Oper stand er erstmals 1992 (Richard Strauss' "Rosenkavalier") am Pult und brachte als Musikdirektor (ab 1995) 27 Neuproduktionen hervor. Unter seiner Leitung erhielt das Zürcher Orchester die Auszeichnung "Orchester des Jahres 2000/01" in der Umfrage der Zeitschrift "Opernwelt". 2005 übernahm er die neue Stelle des Generalmusikdirektors, aus dieser schied er im Sommer 2008 jedoch aus, um sich den Vorbereitungen für Wien widmen zu können.
2002 übernahm der Dirigent das Cleveland Orchestra, im selben Jahr wurde er von der Musikzeitschrift "Musical America" zum "Conductor of the Year 2003" gewählt. Sein Vertrag mit dem Cleveland Orchestra läuft noch bis 2018.

(APA)

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