Kaum etwas stört das Wohnidyll in Unter-St. Veit, einem der jüngsten Reviere in Hietzing. Unterwegs mit der Landvermesserin Johanna Fuchs-Stolitzka.
Unter-St. Veit gehört zu jenen Grätzln Wiens, denen eine spezielle Friedlichkeit innewohnt. Das Einzige, was diese derzeit vielleicht trübt, sind die auf arglose Schlenderer abgeworfenen Kastanien. Sonst dürfte es sich bei den Bäumen aber um freundliche Wesen handeln, glaubt man der Landvermesserin und Ziviltechnikerin Johanna Fuchs-Stolitzka. „Die Gegend liebe ich auch, weil es hier so viele riesige, schöne Bäume gibt.“ Nur ein, zwei Katzensprünge von ihrem Büro in der Hietzinger Hauptstraße entfernt, liegt der Hügelpark, und darin der städtische Andersen-Kindergarten. Hierher kommt sie gern, um abzuschalten, wenn sie viel Stress hat. Der Name des Parks soll keine falschen landschaftlichen Erwartungen wecken. Er ist dem Naturforscher Carl von Hügel gewidmet, der von der Parkmitte aus seit 1901 als Büste in die Weite blickt, und dem gerade fertig sanierten „Schmuckstück“ den Hinterkopf zukehrt. An der Renovierung des wieder blütenweißen Eckhauses war die Landvermesserin beteiligt, erzählt sie stolz. Es ist eine von vielen Villen, die aus dem Hietzinger Boden schießen.
Altes Wien und neue Werte
Unter den Häusern, ein Gutteil davon seit Generationen in Familienbesitz, gebe es kaum noch verfallene Objekte. „Es ist eine sehr schöne, aber auch teure Wohngegend.“ Und tatsächlich steigen die Kaufpreise für Immobilien in Hietzing. Allerdings, findet Fuchs-Stolitzka, seien die Mieten vergleichsweise moderat. „Eigentlich kann ich jedem, der grün und schön wohnen will, nur raten, sich hier umzuschauen.“ Beim Umschauen leuchtet es einem zwischen den Stadtvillen gelb entgegen. „In dem Gebäude da drüben hab ich meine Wohnung. Die hab ich 2006 gekauft und dann drei Jahre lang drin gewohnt, bevor ich nach Perchtoldsdorf umgezogen bin.“ Jetzt lebt eine Freundin in dem Haus mit den sonnengelben Glas-Balkonbrüstungen. „Irgendwie finde ich diese Siebzigerjahre-Cottages originell. Sie sind ein Zeitsymbol.“
Daran mangelt es dem Grätzel nicht, wenn es auch der jüngste unter den Bezirksteilen ist. Das alte Wien wird hier aktiv gepflegt, einiges knapp dem Einsturztod entrissen, wie so manches der unter Denkmalschutz stehenden Biedermeierhäuschen auf der Hietzinger Hauptstraße. Die Drogerie an der Ecke (Parfümerie zum Eisbären), bestehe schon seit ihrer Kindheit, erzählt die Ziviltechnikerin. Die Bäckerei Schwarz gegenüber hat etwas weniger Historie, ist trotzdem integraler Bestandteil des Unter-St. Veiter Minikosmos, der sich zwischen Wienfluss, Ober-St. Veit, Lainz und Alt-Hietzing erstreckt. Dort fährt die Straßenbahnlinie 58, fast der einzige Verkehr in der Hietzinger Hauptstraße, in der eigentlich alles passiert – und parkt. Denn in Hietzing herrscht die große Parkpickerl-Freiheit, was so manchen Autolenker dazu bewegt, sein Gefährt hier abzustellen. „Besucher haben es schwer, weil oft alles zugeparkt ist“, sagt Fuchs-Stolitzka. Es sei denn, sie reisen mit der U4 an, die mit zwei Stationen im Grätzel haltmacht. Die öffentliche Anbindung sei ihr viel wert, ebenso die gute Infrastruktur. Seiner Tradition als „Weberdörfel“ entsprechend, in dem damals hauptsächlich Handwerker der webenden, gerbenden und färbenden Zunft angesiedelt waren, gibt es in Unter-St. Veit auffällig viele kleine Einzelgeschäfte: eine Apotheke, eine Papierwarenhandlung, ein Tee- und Blumengeschäft des Vertrauens um die Ecke – was will der Mensch mehr? „Wirtshäuser. Richtige g'standene Speiselokale. So etwas fehlt hier leider“, sagt sie.
Wo Auhofstraße, Hietzinger Hauptstraße und Dommayergasse aufeinanderstoßen, residiert zwar die kulinarische Troika aus Café Dommayer, Plachutta und Mario, aber als Wirtshaus würde man wohl keines bezeichnen. Die Aussicht auf den Platz und die Speisen machen allerdings einiges wett. Während man hier sitzt und der 58er an einem vorbeizieht, stellt sich eine besondere Gemütsruhe ein.