Schiitischer Soldat schildert „drei Tage in der Hölle“.
Wien/Bagdad. „Das bin ich“, sagt Ali Hussein Khadim und deutet auf einen Mann in dunkler Hose, der bäuchlings auf dem Boden liegt. Der 23-Jährige fährt mit der Hand übers Gesicht und zündet sich eine Zigarette an, als er das Video von dem Massaker anschaut, das die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Internet veröffentlicht und er selbst mit Glück überlebt hat.
Der junge Schiit, der sich als Freiwilliger zur irakischen Armee gemeldet hat, schilderte gegenüber der „New York Times“ und mehreren irakischen Lokalsendern seine „drei Tage in der Hölle“. Als die Jihadisten im Juni nach der Eroberung Mossuls in den Süden vorrückten, seien die Soldaten aus dem US-Camp Speicher in Tikrit zu Tausenden in Zivilkleidung aus der Kaserne geflohen und erst recht den IS-Milizen in die Hände gelaufen. Die sunnitischen Extremisten hätten die Soldaten separiert und die Schiiten zusammengepfercht. Reihenweise hätten sie sie im Palastkomplex des Ex-Diktators Saddam Hussein mit Kopfschüssen niedergemäht oder in den Tigris geworfen.
Khadim sei der vierte in der Reihe gewesen, erinnert er sich. „Das Blut spritzte mir ins Gesicht.“ Als ihn die Kugel verfehlte, stellte er sich tot, ließ sich in den ausgehobenen Graben fallen und robbte in der Nacht ins Schilf. Er durchschwamm den Tigris, suchte Zuflucht bei einem sunnitischen Scheich und kehrte nach dreiwöchiger Odyssee in sein südirakisches Dorf zurück. Das Gemetzel in Tikrit forderte bis zu 1700 Tote. (vier)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)