ÖVP: Aus dem „Eulennest“ ausgeflogen

Strolz
Strolz(c) Die Presse - Clemens Fabry
  • Drucken

Harald Mahrer und Matthias Strolz verbindet die Politik, aber auch eine langjährige Freundschaft. Zwei Karrieren, die gemeinsam begannen – und sich unterschiedlich entwickelten.

Wien. Es gibt sie immer wieder: die Vorsätze, die zur späten Stunde entstehen. Manche wollen eine Band gründen, andere eine Bar eröffnen. Bei einer Runde junger Politik-Junkies war es nach drei oder fünf (hier gehen die Meinungen auseinander) Flaschen Wein immer derselbe Plan: die Gründung einer Partei.

In regelmäßigen Abständen traf sich die lose Gruppe einige Jahre lang, um über den Zustand der Volkspartei zu debattieren. Das Fazit war meist dasselbe: Die ÖVP muss sich verändern. Wie das in der Praxis aussehen sollte, darüber schieden sich die Geister. Einer der Anwesenden stieß sich aber vor allem am Stil der Politiker: Es gebe keinen respektvollen Umgang miteinander. Mit einem Zweiten diskutierte er immer wieder über die Inhalte: Die Partei müsse sich öffnen, mehr Meinungen zulassen und bunter werden.

Die beiden fanden sich wenige Jahre später im Parlament wieder: der eine, Matthias Strolz, als Parteiobmann. Er hat seinen Plan in die Tat umgesetzt und eine neue Partei gegründet – zu Beginn auch mit dem Vorsatz, die ÖVP von außen zu verändern. Der andere, Harald Mahrer, als Staatssekretär für Wirtschaft und Wissenschaft: Er wurde am Dienstag nach seiner Angelobung den Parlamentariern vorgestellt und versucht, die ÖVP von innen zu verändern. Strolz war einer der Ersten im Hohen Haus, der Mahrer zum neuen Job gratulierte. Die beiden verbindet nämlich einiges: eine ähnliche politische Ausrichtung zum Beispiel. Vor allem aber auch eine langjährige Freundschaft.

ÖH-Chef und Unternehmensgründer

Ihre Karrieren begannen ziemlich ähnlich – und verliefen erst spät in verschiedene Richtungen. Zum ersten Mal trafen sie einander 1996. Mahrer war Vorsitzender der Österreichischen Hochschülerschaft an der Wirtschaftsuni in Wien, Strolz an der Uni Innsbruck. Später arbeitete der eine als Forschungsassistent, der andere als Assistent von ÖVP-Mandatar Karlheinz Kopf.

Rund um die Jahrtausendwende beschlossen beide, sich selbstständig zu machen, und gründeten ihr eigenes Unternehmen. Auch hier blieb man im Kontakt – um über Start-ups zu reden, vor allem auch über Politik. Was vorher nur ein Austausch unter Freunden war, wurde nach dem Verlust der ÖVP bei der Wahl im Jahr 2007 ernst: Im Wiener Lokal Eulennest starteten sie einen sogenannten Open Space, bei dem 15 Menschen aus dem bürgerlichen Umfeld der Frage nachgingen, wie man mehr Menschen für die Politik begeistern könnte. Bei einer Abschlussveranstaltung in Linz sollten die Ergebnisse der ÖVP präsentiert werden – doch die Partei nahm sie nicht wirklich wohlwollend auf.

Das soll vor allem Strolz schwer enttäuscht haben. Im Jahr 2008 bewarb er sich außerdem für den Posten als Direktor der Politischen Akademie der ÖVP – den Job bekam Dietmar Halper. Strolz kehrte der Partei den Rücken zu und gründete seine eigene Bewegung.

Politische Rückschläge

An dieser Stelle trennten sich auch die Wege: Denn Mahrer blieb bei der ÖVP. Gefragt, ob er den Neos beitreten will, wurde er offiziell nie. Als die neue Partei gegründet wurde, war er schon Präsident der Julius-Raab-Stiftung, einem ÖVP-nahen Thinkthank. Seit diesem Jahr ist er außerdem mit der Reform des Parteiprogramms beauftragt.

Politische Rückschläge musste aber auch Mahrer erleiden: Bei der Nationalratswahl 2013 versuchte er über die Wiener Landesliste in den Nationalrat einzuziehen – die Partei setzte ihn allerdings nicht auf eine wählbare Stelle.

Erst vergangene Woche kam der nächste Karriereschritt für Mahrer, als ihn der neue ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner zum Staatssekretär ernannte. Das soll vor allem ein Zugeständnis an die junge Parteibasis sein, die sich – wie Mahrer und Strolz zuvor – eine Veränderung wünscht. So reagiert die ÖVP aber auch auf die Konkurrenz der Neos. Indirekt dürfte Mahrer seinen neuen Job also auch Strolz zu verdanken haben.

ZU DEN PERSONEN

Harald Mahrer (41) ist ÖVP-Staatssekretär für Wirtschaft und Wissenschaft. Der Wiener war auch als Unternehmer und Publizist tätig.

Matthias Strolz (41) ist Gründer der Neos und sitzt auch als ihr Klubobmann im Parlament. Auch der Vorarlberger hatte ein eigenes Start-up. [APA, Fabry]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Der  neue Staatssekretär im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium, Harald Mahrer
Politik

Mahrer: "Die Welt ist nicht mehr in Lager einteilbar"

Potenzielle Wähler der ÖVP seien "überall", findet der neue Staatssekretär im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium. 2018 wolle man wieder Nummer eins werden.
OeVP-DISKUSSION 'EVOLUTION VOLKSPARTEI': MITTERLEHNER
Politik

Umfrage: Mitterlehner bringt ÖVP Aufschwung

SPÖ, ÖVP und FPÖ liegen derzeit in der Wählergunst nahe beieinander. Mitterlehner schneidet bei der Kanzlerfrage besser ab als Spindelegger.
Politik

ÖVP: Neue Köpfe, neue Positionen?

Am Donnerstag startete die Volkspartei den Erneuerungsprozess ihres Parteiprogramms. Neo-Obmann Reinhold Mitterlehner nutzte die Chance, um sich zu inszenieren – und wünscht sich eine „Amtszeitgarantie“.
Leitartikel

Die verloren geglaubte Seite der Volkspartei

Die ÖVP will mit einem liberaleren Kurs urbane Wähler zurückgewinnen. Das zeigen die Personalauswahl und der Reformprozess. Aber wird dieser gelingen?
Christian Ortner

Reinhold Mitterlehner, eine sehr österreichische Karriere

Der typische hiesige Spitzenpolitiker lebt sein ganzes Leben lang von Geld, das anderen eher unfreiwillig abgeknöpft wird. Ist das befriedigend?

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.