Außenminister John Kerry will bis Ende September eine internationale Allianz gegen islamistische Terroristen. Auch im Nahen Osten will er für einen Schulterschluss werben.
Newport/Wien. In einer polarisierten Region und insgesamt einer komplizierten Welt, schreibt US-Außenminister John Kerry, stellen die Terroristen des Islamischen Staates (IS) nicht nur eine Gefahr für Syrien und Irak dar, sondern auch für eine große Anzahl von Ländern – inklusive der USA. Mit einem internationalen Schulterschluss, angeführt von Washington, „wird sich der IS-Krebs nicht weiter ausbreiten können“. Was Kerry mit einem Gastbeitrag in verschiedenen Medien(siehe auch Seite 39)angekündigt hat, war am gestrigen Freitag bereits spruchreif.
Beim Nato-Gipfel im walisischen Newport drängte Kerry auf die Bildung eines Bündnisses gegen den IS. Er musste seine neun Nato-Partner, darunter Deutschland, Türkei, Großbritannien und Frankreich, vermutlich nicht lang bitten. Lediglich die Art der Beiträge dürfte vorerst offenbleiben: Einige Länder wollen sich keineswegs an militärischen Aktionen beteiligen. Dafür sollen sie Waffen und Wissen liefern, so Kerry. Ausgeschlossen wurde jedenfalls der Einsatz von Bodentruppen, stattdessen sollen die irakischen Streitkräfte gestärkt werden.
Bis Ende September, wenn in New York die UN-Vollversammlung stattfindet, will Kerry ein wirksames Anti-IS-Bündnis gezimmert haben. Damit will er nicht nur europäische Verbündete ansprechen. Nach dem Nato-Gipfel will Kerry in den Nahen Osten reisen und für sein Bündnis werben.
Überraschend erhielt der US-Außenminister Rückendeckung vom iranischen Ayatollah Ali Khamenei. Sollte es zu einem einem Schlag gegen den IS kommen, könne sich der Iran militärisch beteiligen. Noch vor einigen Wochen hatte der Ayatollah eine Intervention – oder eine „Einmischung“ der USA – abgelehnt. Der Meinungsumschwung liefert Kerry nun die Bestätigung, dass die Gefahr, die von den IS-Terroristen ausgeht, nicht auf Syrien und den Irak zu beschränken ist. Erst vergangene Woche erinnerte der Außenminister an die Ereignisse in Brüssel, als ein Täter mit Verbindungen zur islamistischen Szene im Jüdischen Museum vier Menschen ermordet hatte. Und aus dem deutschen Wuppertal kam am Freitag die Nachricht, dass eine selbst ernannte Scharia-Polizei in der Stadt patrouilliere, ausgestattet mit orangefarbenen Westen samt Schriftzug „Sharia Police“. Die Behörden haben ein Verfahren gegen die Betreffenden eingeleitet.
Vormarsch auf Mossul
Unterdessen haben US-Streitkräfte die Luftschläge gegen den IS fortgesetzt, dadurch konnten die mit ihnen kooperierenden kurdischen Einheiten näher an die zweitgrößte irakische Stadt Mossul heranrücken. Mossul wird bereits seit Juni von den Islamisten kontrolliert.
Weiter südlich von Mossul, in der Provinz Kirkuk, haben IS-Kämpfer erneut Dutzende Zivilisten verschleppt. Zuvor hatten die Islamisten nach der „Eroberung“ das Dorf verlassen, kamen allerdings brandschatzend zurück. Im weit entfernten Newport haben die Nato-Verbündeten alle „barbarischen“ Aktionen der Islamisten einstimmig verurteilt.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.09.2014)