Zentralfriedhof: Eine Gruft nur für Japaner

Das Mausoleum am Zentralfriedhof
Das Mausoleum am ZentralfriedhofStanislav Jenis
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Ein japanisches Unternehmen bietet seinen Kunden an, sich in der Nähe berühmter Musiker bestatten zu lassen. 300 Urnen finden in der renovierten Gruft Platz.

Wien. Für klassische Musik aus Europa finden sich in Japan viele begeisterte Liebhaber – sehr viele. Beethovens Neunte Symphonie steht im Mittelpunkt jeder japanischen Silvestergala, sie ist sogar eine Art geheime Nationalhymne. Deutsche Sprachkurse werden vor Silvester belegt, um den dazugehörigen Liedertext, „Wir betreten feuertrunken, Himmlische, dein Heiligtum...“, korrekt aussprechen zu können – meist jedoch ohne die Bedeutung zu kennen. Die Klientel ist vielschichtig: Familien mit Kindern, Großeltern und Studenten sind bei klassischen Konzerten anzutreffen. Kann sich da noch jemand wundern, wenn japanische Klassikliebhaber sich auf dem Zentralfriedhof neben Beethoven und dem Grabdenkmal von Mozart bestatten lassen wollen?

Skurril ist es schon, denn sogar unter Branchenkennern auf den Friedhöfen Wiens, sorgt die Geschäftsidee für Verwunderung. Nariyasu Mishisma, Gründer und Geschäftsführer des Unternehmens World Musicfan Cemetery AG hat das Geschäft mit dem Tod schon vor Langem gewittert. Er war vor zehn Jahren Leiter eines Bestattungsinstituts in Japan und schon damals überzeugt, dass die Wünsche der Menschen auch im Nachleben respektiert werden müssen.

Er selbst spielt Flöte und ist begeisterter Klassikfreund. Nach einem Besuch des Wiener Zentralfriedhofs kam ihm die Idee, seine letzte Ruhe neben Musikern wie Beethoven zu finden. Er war überzeugt, dass es auch andere Musikliebhaber gebe, die sich seiner Idee anschließen würden. Daraufhin eröffnete er 2009 sein Unternehmen in Japan und erlangte im folgenden Jahr einen Vertrag mit dem Wiener Zentralfriedhof. So erwarb er nahe der Sektion 32A, wo berühmte Musiker wie Beethoven, Mozart, Brahms und Strauß liegen, ein Mausoleum bei den Alten Arkaden, mit einem Beinhaus für 300 Urnenplätze.

Was vor einigen Jahren nur eine Idee war, ist heute schon fast Realität. Sein Unternehmen bekommt zunehmend Anfragen – mittlerweile nicht nur von Musikliebhabern. Laut einer vom Unternehmen durchgeführten Umfrage haben 60 Prozent der Befragten angegeben, niemanden zu haben, der sich um ihr Grab kümmern werde. „Und wenn ein Japaner schon einmal in Wien war, steigt die Sehnsucht nach der schönen vergangenen Reise, und sie wünschen sich die Stadt als letzte Ruhestätte“, sagt Mishisma.

Der Preis für die ungewöhnliche Bestattung beträgt drei Millionen Yen. Umgerechnet sind das mehr als 21.000 Euro. Inkludiert ist eine Trauerfeier auf dem Zentralfriedhof (optional auch mit Musik), bei der auch die Hinterbliebenen der Verstorbenen erwünscht sind. Die Kremation findet schon in Japan statt, danach wird die Asche in einer Urne nach Österreich transportiert. Das Mausoleum in den Alten Arkaden steht dem Unternehmen für hundert Jahre zur Verfügung.

Durch viel Werbung soll die Idee noch mehr Zuspruch in Japan finden. Es wird deswegen auch online über Facebook, Twitter und YouTube mit Bildern und Videos von Stephansdom, Schönbrunn und Grabsteinen auf dem Zentralfriedhof geworben. Der Verkauf der Urnenplätze soll noch dieses Jahr beginnen.

Den eigenen Tod vorbereiten

Das vorherige Nachdenken und die Vorbereitung des eigenen Todes wird in Japan „Schuu-katsu“ genant. Es erregte in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit durch Verstreuung der Asche in den Ozeanen, Bergen oder sogar im Weltall. Mittlerweile finden auch zahlreiche Seminare zu dem Thema statt, so Mishisma.

Er selbst werde auch einen Teil seiner Asche auf dem Zentralfriedhof beisetzen lassen. „Ich erinnere mich immer noch daran, als ich zum ersten Mal den Wiener Zentralfriedhof besucht habe. Ich war zu Tränen gerührt. Dieses Gefühl will ich in Japan weitervermitteln“, sagt Mishisma.

Erster unter Asiaten in Wien

Nicht nur mit Strauß und Beethoven, sondern auch mit Wien als facettenreicher und historischer Stadt wird geworben. Reisen nach Österreich sind in asiatischen Ländern sehr beliebt – vor allem in China und Japan. Mit 502.063 Übernachtungen im Jahr 2013 liegen die Japaner an zweiter Stelle der asiatischen Touristen in Österreich – nach den Chinesen mit 579.155 Nächtigungen.

In der Bundeshauptstadt selbst haben dagegen die Japaner die Nummer-eins-Position, hier liegen sie mit 144.888 Übernachtungen an erster Stelle, sogar vor den chinesischen Touristen mit 120.903. Was jedoch allen gemeinsam ist: Der Zentralfriedhof gehört für sie zu fast jeder Wien-Besichtigungstour.

AUF EINEN BLICK

Nach dem Tod. In Japan ist klassische Musik aus Europa sehr beliebt. Der Japaner Nariyasu Mishisma gründete ein Unternehmen, welches Musikliebhabern eine Bestattung in der Nähe berühmter Musiker auf dem Wiener Zentralfriedhof anbietet. Dies ist einigen Klassikliebhabern mehr als 21.000 Euro Wert. In der dafür gedachten Gruft finden 300 Urnen Platz. Website: wmc.co.jp

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.09.2014)

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