AUA-Streit: Der EuGH prägt die Zukunft

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Im Rechtsstreit zwischen der AUA und ihren Belegschaftsvertretern über die Nachwirkung des Kollektivvertrags fällt heute die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.

Wien. Im Kollektivvertragsstreit bei der AUA fällt heute, Donnerstag, eine wichtige Entscheidung: die des EuGH über die Nachwirkung des Bord-Kollektivvertrags, den die Unternehmensführung vor gut zwei Jahren aufgekündigt hat.

Das Bordpersonal wurde damals – nach gescheiterten Verhandlungen über einen neuen Kollektivvertrag (KV) – in die Regionaltochter Tyrolean ausgelagert. Den dortigen, billigeren KV kündigte jedoch die Gewerkschaft ebenfalls auf. Und beantragte beim Obersten Gerichtshof (OGH) die Feststellung, dass der AUA-KV nachwirkt – dass er also weiter anzuwenden ist, bis ein neuer KV in Kraft tritt oder neue Einzelvereinbarungen mit den Mitarbeitern geschlossen werden.

Mit den von der AUA budgetierten Einsparungen würde es dann – zumindest vorerst – nichts. Und weil derzeit Unternehmensrichtlinien angewandt werden, die im Wesentlichen den Tyrolean-KV abbilden, würden auch Nachzahlungen fällig. Wobei das Hauptproblem aus Unternehmenssicht nicht so sehr die Ist-Gehälter sind, sondern vor allem Abfertigungen und Pensionsansprüche. Für die AUA wäre das brisant. Der Betriebsübergang ist Teil eines Sparpakets, das sie 2012 schnürte, „um eine Insolvenz zu vermeiden“, sagt AUA-Anwältin Katharina Körber-Risak. „Der Wirtschaftsprüfer hat damals die positive Fortbestandsprognose daran geknüpft. Würde das jetzt rückgängig gemacht, hätten wir wieder das damalige Szenario.“

Was wird aus Tyrolean-KV?

Der OGH schaltete in der heiklen Causa den EuGH ein – und dessen Generalanwalt stärkte in seinem Schlussantrag den Arbeitnehmern den Rücken: Der AUA-KV wirke tatsächlich nach. Ob der EuGH das genauso sieht, wird sich heute zeigen.

Mit Spannung erwartet wird auch, ob und wie sich der EuGH zum Schicksal des ebenfalls aufgekündigten Tyrolean-KV äußert. Der Generalanwalt verwies diesbezüglich nur auf das zum AUA-KV Gesagte. Wie das zu interpretieren ist, daran scheiden sich die Geister: Körber-Risak und Georg Schima – die in diesem Sozialpartnerstreit die Wirtschaftskammer vertreten – meinen, es könnte durch den Betriebsübergang zu einem „Nachwirkungswechsel“ kommen. Also dazu, dass der ebenfalls nachwirkende Tyrolean-KV auch für die früheren AUA-Mitarbeiter gilt. Dann würde die Kostensenkung doch noch greifen.

Roland Gerlach, der die Gewerkschaft vertritt, nennt diese These eine „Auslegung contra legem“: Eine Nachwirkung sei begrifflich nur für Mitarbeiter möglich, für die der jeweilige KV auch vorher gegolten habe. Der Tyrolean-KV könne nur für die Tyrolean-Mitarbeiter nachwirken, der AUA-KV für jene, die vor dem Betriebsübergang zur AUA-Belegschaft gehörten.

Aber auch in anderer Hinsicht fliegen zwischen den Streitparteien die Fetzen. Das Feststellungsverfahren beruhe letztlich auf einem hypothetischen Sachverhalt, sagt Schima und lässt durchklingen, dieser stimme nur teilweise mit den Fakten überein. So sei im Vorbringen der Gewerkschaft von 20 Prozent Gehaltsreduktion und einem insgesamt drohenden Einkommensverlust von „bis zu 54,5 Prozent“ für einen Teil der Betroffenen (jene mit Altverträgen) die Rede. Das beruhe jedoch auf einem alten Einigungsvorschlag, der nie zustande gekommen sei. Tatsächlich seien die Ist-Gehälter zwar eingefroren, aber nicht verringert worden. Dagegen habe man eine Abfindungszahlung, die damals im Raum stand, bei der Berechnung des Einkommensverlusts nicht berücksichtigt.

Dass sich beide Seiten darüber uneins sind, hält auch der Generalanwalt im Schlussantrag fest. Gerlach kontert indes, der Tyrolean-KV könne unter dem Strich nur noch schlechter (für die Belegschaft) sein als dieser damalige Kompromissvorschlag. Und betont, dass es für die Rechtsfrage, um die es geht – die der Nachwirkung –, auf das Ausmaß der Einkommensverluste gar nicht ankommt.

Zweites Verfahren anhängig

Formal abgeschlossen wird dieses Verfahren erst mit dem Urteil des OGH sein. Alles entschieden ist aber auch damit noch nicht. Es ist noch ein zweiter Streitfall anhängig, in dem es darum geht, ob ein Betriebsübergang innerhalb eines Konzerns rechtens ist, der nur den Zweck hat, Personalkosten zu senken. Das Arbeits- und Sozialgericht hat das in erster Instanz verneint, was Schima heftig kritisiert und eine „Vergewaltigung des österreichischen Zivilrechts“ nennt.

Das Oberlandesgericht hat dieses Verfahren bis zur Entscheidung über die Nachwirkung des AUA-KV unterbrochen. Wird die Nachwirkung bejaht, würde der Betriebsübergang dem Unternehmen aber wenig nützen. Für den „Worst Case“ werde „geprüft, welche Alternativen es gibt“, sagt Körber-Risak. Sie spricht von „Realitätsverweigerung“ der Gegenseite angesichts der prekären finanziellen Lage: Immer noch werde suggeriert, dass die AUA oder ihre Mutter Lufthansa das Geld „wenn nötig schon irgendwie aufbringen“ könne. „Aber auch der Lufthansa geht es nicht so gut.“

Wie Alternativen zum Betriebsübergang aussehen könnten, darüber kann man zurzeit nur spekulieren. Letztlich könnte es wohl darauf hinauslaufen, dass versucht wird, einzelvertragliche Regelungen mit den Mitarbeitern zu treffen, die doch wieder sehr ähnlich ausfallen würden wie das, was in den jetzigen Unternehmensrichtlinien steht. Oder man handelt doch noch einen neuen KV aus. Viel Hoffnung darauf gibt es im Moment aber nicht – die Fronten sind verhärtet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2014)

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