Banken fürchten russische Rache

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Mit „altbewährten Instrumenten“ bekämpfen Regierung und Sozialpartner die Krise in Russland. Doch was passiert, wenn Österreichs Banken in Russland Probleme bekommen?

Wien. Die Regierung will das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) beauftragen, eine Studie über die Auswirkungen der Russland-Sanktionen auf die österreichische Wirtschaft zu erstellen. Die Ergebnisse sollen Mitte Oktober vorliegen. Das Wifo soll ermitteln, welche Wirtschaftszweige besonders stark betroffen sind. Auch indirekte Folgen des Embargos auf österreichische Zulieferungen, die beispielsweise über Deutschland laufen, sollen erhoben werden.

Für das am Mittwoch abgehaltene Gipfeltreffen zwischen der Regierung und den Sozialpartnern hat das Wifo eine erste Schnelleinschätzung vorgenommen: Falls die Russland-Exporte um ein Fünftel zurückgehen, würde das in Österreich einen volkswirtschaftlichen Schaden von 775 Millionen Euro verursachen. Das entspricht einer Gefährdung von 11.000 Jobs.

Doch dabei handelt es sich um eine Beruhigungspille. Kommt es tatsächlich zu einem Wirtschaftskrieg zwischen Russland und der EU, wären die Folgen größer als die 775 Millionen Euro. Denn das Wifo hat nicht die Folgen der Russland-Krise auf Österreichs Banken berechnet. Auch in der detaillierten Studie, die Mitte Oktober veröffentlicht werden soll, werden die Banken laut „Presse“-Informationen nicht vorkommen. Das hat die Regierung so vorgegeben.

Russland-Exposure: 36 Mrd. €

Das Ausklammern der Banken überrascht. Im Juli warnte der Internationale Währungsfonds (IWF), dass Österreichs Banken gemessen an ihrer Größe besonders stark in Russland engagiert seien. Im Zuge der Krise könnte sich die Qualität der russischen und ukrainischen Kredite verschlechtern. Daher seien die kreditgebenden Institute mit erhöhten Ausfallsrisken konfrontiert. Laut Auskunft der Nationalbank liegt das Russland-Exposure aller in Österreich ansässigen Banken (inklusive Bank Austria) bei 36,2 Milliarden Euro.

Neben der Bank Austria ist vor allem Raiffeisen betroffen. Die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank beobachten die Lage. „Ukraine, Russland – das ist ein ernstes Problem. Wir sind hier sehr aufmerksam“, sagte jüngst Helmut Ettl, Vorstand der Finanzmarktaufsicht (FMA). Denn führende österreichische Banken erwirtschaften in Russland einen großen Teil ihrer Erträge.

Doch die Regierung und die Banken beruhigen. Beim Sozialpartnergipfel am Mittwoch wurde das Bankenthema nur kurz angesprochen. Man habe für den Fall einer Russland-Eskalation sehr wohl einen Plan, der auch die Banken beinhalte, doch man wolle dazu keine Details nennen, um nicht zusätzlich für Unruhe zu sorgen, heißt es.

Laut Raiffeisen und Bank Austria halten sich die Auswirkungen der Sanktionen derzeit in Grenzen. Am meisten fürchten sich die Chefs österreichischer Banken vor russischen Vergeltungsmaßnahmen. Aktuell gibt es in Russland keine Einschränkungen für westeuropäische Banken. Sollte aber der russische Präsident Wladimir Putin von der EU noch mehr gereizt werden, könnte er den westeuropäischen Banken in Russland das Leben schwer machen. Zurück zum gestrigen Sozialpartnergipfel: Dort wurden „altbewährte Instrumente“ wie Kurzarbeit, Arbeitsstiftungen und die Erschließung neuer Märkte als Reaktion auf die Russland-Krise präsentiert. Bei Kurzarbeit und Arbeitsstiftungen ist keine Aufstockung des Budgets geplant, weil der bisherige Rahmen noch nicht ausgeschöpft ist.

Leitl gegen weitere Sanktionen

Für Unternehmen, die von der Krise betroffen sind, wird die Internationalisierungsoffensive „Go international“ um 2,5 Millionen Euro aufgestockt. Mit dem Geld soll Firmen geholfen werden, neue Märkte zu erschließen. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) schätzt, dass rund 500 Unternehmen die Unterstützung in Anspruch nehmen werden.

Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl ist gegen eine Verschärfung der Sanktionen: „Teilweise ist schon jetzt von Ausfällen in zweistelliger Millionenhöhe in einzelnen Firmen die Rede, die für einen mittelständischen Betrieb nur sehr schwer zu verkraften sind.“ Sollte sich die Krise zuspitzen, ist „ein größeres Ausmaß an Schäden zu befürchten“. In der ZiB2 am Mittwochabend bekräftigte Leitl: "Wenn wir uns weiter in Sanktionen und Drohungen hineinsteigern wird das den Herrn Putin nicht beeindrucken". Angela Merkel, die heftig auf die Veröffentlichung der neuen Sanktionen pochte, solle schauen, dass die 28 EU-Länder eine Linie finden. Sie solle sich nicht hinter anderen Ländern wie den USA verstecken.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.09.2014)

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