Seit den 1960er-Jahren sind viele der Möglichkeiten, die Großbritannien für Schottland geboten hat, nicht mehr vorhanden, sagt Literaturwissenschaftler Murray Pittock.
In Schottland sind die Nationalisten in den vergangenen Jahrzehnten immer stärker geworden. Aber woher kommt das Drängen nach Unabhängigkeit? "Innerhalb Großbritanniens gibt es immer weniger Platz für Schottland als eigenständige nationale Identität", sagt der Literaturwissenschaftler Murray Pittock, der an der Universität Glasgow zur kulturellen Entwicklung Schottlands forscht.
Die Wurzeln des gegenwärtigen Wunsches nach Loslösung sieht der Forscher im Ende des britischen Empire. Dieses bot den protestantisch geprägten, als arbeitsam geltenden Schotten die Möglichkeit zum Aufstieg im britischen Militär und der Kolonialverwaltung. Tausende begabter junger Schotten gingen, wie einst der Missionar und Schriftsteller David Livingston, vom 18. Jahrhundert bis nach dem Zweiten Weltkrieg im Dienste des Vereinten Königreichs ins Ausland. "Doch seit den 1960er-Jahren sind viele der Möglichkeiten, die die Union (mit England, Wales und Nordirland) für Schottland geboten hat, nicht mehr vorhanden", sagt Pittock.
Differenzen bei Vermögensverteilung, Gleichheit und EU
Der wirtschaftliche Abschwung im Schottland der Nachkriegszeit und besonders in den 1980er-Jahren tat sein übriges. Seit der Regierung von Margaret Thatcher wählen die Schotten überwältigend links. "Die Schotten unterscheiden sich von den Engländern besonders in ihrer Einstellung zur Vermögensverteilung, Gleichheit und bei der Europäischen Union", sagt der Identitätsforscher.
Auch der schottische Nationalismus unterscheide sich dem in anderen Teilen Europas, wo Patriotismus oft mit Religion oder Ethnie verbunden sind. "Die Schottische Nationalpartei ist zivilgesellschaftlich orientiert und links eingestellt, inklusiv und nicht gegen Einwanderer gerichtet. Das unterscheidet sie gänzlich etwa von den flämischen Nationalisten", sagt Pittock.
(APA)