Sake: Entkoppelt von Kimonos

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Sake und der Westen müssen erst zusammenfinden.
Wird das aus Reis gebraute Getränk hier als Wein empfunden, stehen ihm goldene Zeiten bevor.

Gleich vorweg: Das lauwarme Gebräu, das man beim Running Sushi im Puppenzahnputzbecher zum Hinunterspülen bekommt, ist für das Sake-Universum ungefähr so repräsentativ wie ein früherer Brünnerstrassler für das heutige österreichische Weinspektrum. Sake, aus Reis, Wasser und der Starterkultur Koji gebraut und daher kein Reiswein, soll bis zu 400 verschiedene Aromen offenbaren können. Das macht ihn als Pairing-Partner für Speisen, die sich gegenüber anderen Getränken zieren, interessant.
In diesem Sinn wird an gastronomischen Vorreiteradressen da und dort schon an Sake gedacht, wenn es darum geht, mit einem Aperitif zu überraschen oder eine Menübegleitung zusammenzustellen. Manche Sommeliers wie etwa Alexander Koblinger, der die Gäste der Brüder Obauer weintechnisch versorgt, tragen auch den Titel Sake-Sommelier.


Das Potenzial von Sake für die Gastronomie, gerade auch für westliche – ist aber noch weitaus größer als bisher ausgelotet. Und für Ethnologen dürfte interessant sein, welche kulturellen Prozesse da eigentlich ablaufen, wenn westliche Sommeliers kurzerhand die Wurzeln eines fernöstlichen Getränks mit jahrhundertelanger Tradition kappen, sich rein auf den Geschmack konzentrieren und das Getränk auf westliche Trinkgewohnheiten herunterbrechen. Um dem Sake im Westen eine Zukunft zu ermöglichen, also da, wo sich jetzt junge Menschen dafür interessieren. In Japan, so der Sake-Kenner und Japanologe Dick Stegewerns, ist Sake für die junge Generation überhaupt kein Thema mehr. Die Zukunft des Sake liege in Europa, in den USA.

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Transparent. Neue Generation von Sake-Trinkgefäßen: entworfen vom Designstudio Sempli, via "www.sempli.com"(C) Beigestellt

Sake unter Naturweinen. Einer von denen, die dem Sake Herzblut und Raum widmen und ihn als ein dem Wein ebenbürtiges Getränk sehen, ist Gastronom Klaus Piber. Zu seinen Adressen gehört in Wien unter anderem das ostasiatisch dominierte Yohm. Hier führt er mit Mitte September eine Karte mit ausgesuchten Sake und eine Sake-Wein-Menübegleitung ein. Ausschlaggebend für Pibers Initiative war die Bekanntschaft mit dem schon erwähnten niederländischen Sake-Perlentaucher Dick Stegewerns auf der internationalen Naturweinmesse Raw, deren jüngste Ausgabe in Wien stattgefunden hat. Stegewerns spürt in Japan die besten und mitunter ausnehmend seltene Sake auf und exportiert sie nach Europa. Er hat 15 Jahre in Japan gelebt. Diese Tatsache und vor allem, dass er auch unanständiges Japanisch beherrsche, käme ihm in der sich oft abschottenden japanischen Gesellschaft nicht ungelegen, sagte Stegewerns beim Wien-Besuch anlässlich eines Sake-Menüs im Yohm.


Dass sich Stegewerns und Piber auf einer Naturweinmesse kennengelernt haben (und dass Stegewerns Sake in Österreich vom Naturweinhändler Raw Selections vertrieben werden), lässt erahnen, wo sich Sake wohl in Zukunft am besten positionieren wird. Naturweinliebhaber sind offen für Neues, und ein Publikum mit dieser Eigenschaft braucht Sake, wenn er wahrgenommen werden und Erfolg haben will. Denn das Wissen um Sake ist so klein wie die Vorbehalte groß sind, nicht zuletzt aufgrund der Prägung durch Brühen von geringer Qualität, die in vielen Restaurants serviert werden. Und zwar, unterstellt Dick Stegewerns pauschal, ganz gezielt warm, um das westliche Geschmacks- und Qualitätsempfinden ob der mangelnden Güte des servierten Sake zusätzlich zu irritieren.


95 Prozent von Stegewerns Kunden sind Restaurants mit westlicher Küche. Deshalb ist er (wie auch Klaus Piber) ein Verfechter des Servierens im Weinglas statt in Keramikbecherchen oder in eckigen Holzbechern. Für unsere Kultur ist das verständlicher, niederschwelliger, genuss- und zukunftsreicher. Traditionalisten und Authentizitätsfanatiker mögen dagegen sein. Notwendig ist diese Art des Servierens aber wohl, wenn Sake aus der eine Parallelwelt signalisierenden Fernost-Kimono-Ecke herausgeholt und als zeitgemäße Weinalternative positioniert werden soll. Auch wenn der Gedanke, der hinter der Kultur der Minibecher steckt, schon eine Ästhetik birgt: Man schenkt in Japan stets dem oder der anderen ein – je kleiner der Becher, desto öfter kann man diesem Kommunikationsritual frönen.


Die bisher sankrosankte Meinung, dass ein höherer Grad des Polierens mit höherer Qualität einhergeht, teilt Dick Stegewerns übrigens nicht. (In den Sake-Reissorten ist die Stärke im Gegensatz zum Essreis in der Kornmitte konzentriert. Vom Reiskorn wird in der Vorbereitung auf den Gärprozess bis zu weit über 50 Prozent der äußeren Schicht entfernt, um von einem „reisigen“ zu einem fruchtigen Charakter zu kommen, das nennt man Polieren). So nah er Sake neben Wein positionieren möchte – in einem Aspekt sind die beiden völlig verschieden, erklärt Stegewerns: Sake-Flaschen kann man öffnen und dann lange, auch ungekühlt, lagern. „Manchmal kann man sich gar nicht mehr erinnern, wann man die Flasche aufgemacht hat.“

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