Die USA möchten den Regionalmächten die Hauptlast des Kampfes gegen den Islamischen Staat, IS, aufbürden. Doch diese haben damit nur wenig Freude.
Kairo. John Kerry kommt nicht mit leeren Händen, hat aber wenig im Gepäck. Am Donnerstag reiste der US-Außenminister in die saudische Hafenstadt Jeddah, um mit Delegationen der Golfemirate, Ägyptens, Jordaniens, des Libanon, des Irak sowie der Türkei über das weitere Vorgehen gegen den Islamischen Staat (IS) zu beraten. Iraker, Saudis und die Golfemirate hätten es am liebsten, wenn die USA quasi als Luftwaffe ihrer Nationen agierten und in den nächsten Monaten oder Jahren IS-Stellungen permanent unter Feuer nehmen würden. Washington dagegen möchte die militärische Hauptlast auf den Schultern der Regionalmächte sehen.
Hilfe für Freie Syrische Armee
Das Weiße Haus erklärt sich bereit, mit 1600 Militärberatern bei der Restrukturierung der irakischen Armee zu helfen, die Kurden aufzurüsten sowie mehr Gerät an die moderaten Rebellen der Freien Syrischen Armee zu liefern, obwohl deren Kampfkraft inzwischen gegen null geht. Nach dem Willen Obamas sollen die US-Luftschläge aber beschränkt bleiben auf Einzelangriffe gegen Artilleriegeschütze oder gepanzerte Fahrzeuge amerikanischer Produktion, die der IS im Irak erbeuten konnte.
Das Auftauchen des IS hat die arabisch-islamische Welt nicht nur in ihrem religiösen Selbstverständnis tief erschüttert, sondern zugleich die systematische Schwäche der arabischen Armeen offenbart.
Fast alle Nahost-Staaten sind den fanatisierten Angreifern nicht gewachsen, selbst wenn sie sich für Unsummen mit Militärgerät hochgerüstet haben. Deshalb wollen sich die arabischen Staaten auf die politische, finanzielle und diplomatische Ebene beschränken und das Kämpfen anderen überlassen.
Zum ersten Mal seit Jahrzehnten empfing Saudiarabien unlängst ein hohes Regierungsmitglied aus Teheran, auch wenn das Misstrauen nach wie vor tief sitzt. Auch Kuwait unternimmt erstmals wirkliche Schritte gegen Stiftungen und extremistische Scheichs, die den IS bisher mit Millionensummen an Spendengeldern unterstützten.
„In dem Spiel gibt es keine Heiligen“, sagt der Chef des kurdischen Middle East Research Institutes (MERI) in Erbil, Dlawer Ala'Aldeen. „Egal, ob Iran, Türkei, oder die arabischen Golfstaaten, jeder in der Region muss seine Position neu überdenken. Der IS ist eine existenzielle Bedrohung für alle.“
("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2014)