Barack Obamas neuer „Krieg gegen den Terror“

US President Obama attends ceremonies to remember those who lost their lives at the Pentagon during 9/11 attacks in Washington
US President Obama attends ceremonies to remember those who lost their lives at the Pentagon during 9/11 attacks in Washington(c) Reuters (GARY CAMERON)
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Luftangriffe in Syrien, Rebellentraining in Saudiarabien und verstärkte Geheimdienstarbeit: Amerikas Präsident bedient sich der Mittel seines Vorgängers Bush, deren Kritik ihm den Weg ins Amt ebnete.

Washington. Am Vorabend des Jahrestages der Anschläge vom 11.September 2001 hat der amerikanische Präsident, Barack Obama, einen Plan zur Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) in Syrien und im Irak vorgestellt, der den „Krieg gegen den Terror“ bis weit über seine Amtszeit hinaus verlängern dürfte. Obama, der mit seiner scharfen Kritik an der Ausweitung der geheimdienstlichen Befugnisse und militärischen Fehlentscheidungen unter seinem Vorgänger George W. Bush ins Weiße Haus einzog und 2009 den Friedensnobelpreis erhielt, setzt in seiner Reaktion auf das rasante Erstarken der IS-Kämpfer in der Levante auf wesentliche Elemente dieses geheimdienstlich-militärischen Apparates von Bush.

Saudis sind nun an Bord

Und er begibt sich in offensichtliche Widersprüche. Obama will einerseits Bombenangriffe auf IS-Stellungen auf syrischem Boden durchführen. Andererseits wiederholte er in der Nacht auf Donnerstag in seiner Rede, dass Syriens Präsident, Bashar al-Assad, seine Amtsberechtigung verloren habe. Wie Amerika einerseits die militärisch fähigsten Feinde Assads bekämpfen, andererseits aber an seinem Thron sägen will, ließ Obama offen. In einem Hintergrundgespräch mit Journalisten versuchten zwei Sicherheitsberater des Präsidenten, diesen Zielkonflikt aufzulösen, indem sie auf die verstärkte Ausrüstung und militärische Ausbildung gemäßigter syrischer Widerstandsgruppen verwiesen. Das solle gemeinsam mit Saudiarabien geschehen – und auf saudischen Militärbasen. „Das wird kein US-Personal in Syrien einschließen, sondern in Saudiarabien passieren“, sagte einer der Berater.

Die Einbindung der Saudis ist ein Schlüssel für den Erfolg im Kampf gegen den IS. Denn Assads gemäßigte Gegner, die sich unter dem Banner der „Freien Syrischen Armee“ versammeln, stehen derzeit nicht nur bildlich gesprochen im Kreuzfeuer zwischen Syriens Regierungstruppen und den IS-Kämpfern. Obama hat sich drei Jahre lang gegen das Drängen hoher US-Militärs, seiner damaligen Außenministerin Hillary Clinton und des früheren CIA-Direktors Leon Panetta gestemmt, diese Oppositionellen zu bewaffnen; im Wahlkampf um die Präsidentschaft 2012 wäre es ihm nicht zupass gekommen, in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden.

Daraus folgte ein Erstarken der radikalsten syrischen Widerstandskämpfer, die Waffenlieferungen aus sunnitischen, Assad gegenüber feindselig eingestellten Regimen wie Katar und Saudiarabien erhielten. Erst heuer lenkte Obama ein wenig ein und bat den amerikanischen Kongress um die Genehmigung von 500 Millionen Dollar (387 Millionen Euro) zur Aufrüstung und Ausbildung „guter“ Regimegegner. Dieses Ansuchen liegt unerledigt auf dem Kapitol.

Neues PR-Mittel für Jihadisten

Allerdings liefert der Einsatz von US-Militärausbildern auf saudischem Boden dem IS ein wertvolles Propagandamittel. Die „Ungläubigen“ aus dem Land der heiligsten Stätten des Islam verjagen: Mit diesem Schlachtruf hat bekanntlich Osama bin Laden, der Gründer der Terrororganisation al-Qaida, nach dem ersten Irak-Krieg in den 1990er-Jahren tausende fanatisierte Moslems angeworben und in der fatalen Welle von Anschlägen auf US-Botschaften und amerikanische Kriegsschiffe im Nahen Osten eingesetzt, die heute, Freitag, vor 13 Jahren mit der Zerstörung des World Trade Centers ihren Höhepunkt erreichte.

Darum warnt Barry Pavel, ein früherer Sicherheitsberater von Obama, vor einer neuen Anwerbewelle der islamistischen Extremisten. „Obamas Strategie ist zwar nötig, hat jetzt aber einen tödlichen Wettbewerb um die globale jihadistische Führungsrolle zwischen IS und al-Qaida angeregt“, warnte Pavel im Kurznachrichtendienst Twitter. „Sie werden intensiv um Rekruten und Finanzierung konkurrieren und versuchen, einander zu übertreffen, indem sie spektakuläre Terrorangriffe verüben.“

Vergleich mit Jemen, Somalia

Obama betonte in seiner Rede einmal mehr, dass es in erster Linie an der irakischen Regierung liege, IS zu besiegen. Gleichzeitig erklärte er, weitere 475 US-Militärberater nach Bagdad und Erbil zu entsenden; damit sind bereits mehr als 1000 amerikanische Soldaten damit beschäftigt, Bombenziele zu erfassen, das irakische Militär und kurdische Milizen auszubilden und US-Botschaftspersonal zu schützen. Obama erklärte zudem, sein Plan für den Umgang mit IS entspreche der Kombination aus Drohnenangriffen und der Unterstützung lokaler Sicherheitskräfte in Jemen und Somalia beim Kampf gegen islamistische Terrorgruppen. Der Vergleich hinkt allerdings: In den vergangenen Jahren haben US-Drohnen in diesen beiden Ländern rund 120 Mal zugeschlagen. Im Irak hingegen gab es allein seit Beginn der jüngsten US-Kampagne mehr als 150 Luftschläge.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.09.2014)

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