TTIP: Die Angst vor den Ängsten der Bürger

Die Zurückweisung der Bürgerinitiative zum Stopp des US-Abkommens offenbart das wahre Unvermögen in Brüssel.

Die EU-Kommission muss zwar oft für Fehlentwicklungen herhalten, für die sie gar nicht verantwortlich ist. Sie ist kein böswilliger Beamtenapparat, als der sie gern dargestellt wird. Weder stammt die Gurkenkrümmung noch das Verbot von Dekolletés von ihr. Dass sie aber unsensibel mit Bedürfnissen und Ängsten der Bevölkerung umgeht, wird bei den Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen mit den USA deutlicher denn je. Die Vorbereitungen liefen ebenso schief wie die Informationsarbeit. All das wurde nur noch von der völligen Intransparenz der Verhandlungen getoppt.

TTIP, wie das Abkommen heißen soll, wäre eine Chance. Es könnte die Wirtschaft in der EU positiv stimulieren, der wachsenden Wirtschaftsmacht Asiens westliche Produkt- und Sozialstandards entgegensetzen. Doch die Kommission agiert, als wollte sie das Abkommen mutwillig in Misskredit bringen.

Die Ablehnung einer europaweiten Bürgerinitiative zum Stopp der Verhandlungen ist der bisherige Höhepunkt des Desasters. Die rechtliche Begründung kann vielleicht spitzfindige Juristen, sicher aber nicht den zweifelnden Teil der Bevölkerung überzeugen. Ganz im Gegenteil. Jetzt wird es heißen, die EU-Kommission hört nur auf Lobbyisten großer Konzerne, nicht aber auf Bürger.

Das Freihandelsabkommen wird aller Voraussicht nach scheitern. Nicht wegen der Chlorhühner oder wegen des Genmaises. Es wird aus Angst vor den Ängsten der Bevölkerung gerade politisch vernichtet.

wolfgang.boehm@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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