Deutschland: AfD als Auffangbecken für Frust-Wähler

imago/Martin Müller
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Nervosität vor allem in der Union. Den Regerungsparteien CDU/CSU steht eine Grundsatzdebatte über den Umgang mit der Protestpartei bevor.

Nach den jüngsten Wahlerfolgen der Eurokritiker von der "Alternative für Deutschland" (AfD) reagieren die Parteien in der deutschen Hauptstadt nervös. Ganz besonders aufgeschreckt ist die Union, deren Strategie des Totschweigens der AfD gescheitert ist.

Die Wahlanalysen zeigen: Die AfD hat in Brandenburg und Thüringen Linkspartei und CDU gleichermaßen Wähler abspenstig gemacht. Dass sich nun aber eine neue Partei am rechten Rand zu etablieren scheint, fordert vor allem die Union heraus. Schließlich wird in der Partei immer wieder an den Satz von Franz Josef Strauß erinnert, dass es rechts von der Union keine Partei geben dürfe. In der Partei fühlen sich durch den AfD-Erfolg nun jene bestätigt, die der Merkel-CDU eine konservative Rückbesinnung verpassen wollen.

Konservatives Profil vernachlässigt

"Gerade im liberal-konservativen Bereich hat die Union in den letzten Jahren leider deutlich an Anziehungskraft verloren", beklagen die im "Berliner Kreis" organisierten CDU-Konservativen um Wolfgang Bosbach und Erika Steinbach in einem am Montag bekannt gewordenen Positionspapier. Durch die Vernachlässigung ihres konservativen Profils gebe die Union langfristig einen Teil ihrer Kernwählerschaft an die AfD preis, fürchten sie - und mahnen zur Umkehr.

Dass der dauerhafte Verlust wichtiger Wählermilieus zu anhaltender Schwächung führen kann, hat zuletzt die SPD schmerzhaft erleben müssen. In den 1970-er Jahren fand das Friedens- und Ökomilieu bei den Grünen eine neue Heimat. In den letzten zehn Jahren trieben die Hartz-Reformen einen Teil des linken SPD-Flügels zur Linkspartei. In Wahlen nehmen sich die drei Parteien im linken Spektrum nun gegenseitig Stimmen weg.

Neue Heimat für Wertkonservative

Wenn nun das wertkonservative, marktwirtschaftlich orientierte Bürgertum in der AfD eine neue Heimat findet, würde dies langfristig auch vom Kernbestand der Union zehren. Die AfD punktet inzwischen nicht nur mit Euro-Kritik, sondern auch mit der Forderung nach weniger Zuwanderung und mehr Leistungen für Familien. "Im Moment ist die Chance, eine solche Partei in der Bundesrepublik auch dauerhaft zu etablieren, für die AfD größer als sie für jede andere Rechtspartei gewesen ist", resümiert der Bonner Politikprofessor Frank Decker in einer Analyse für Deutschlandradio Kultur.

Die AfD ist keine "Eintagsfliege"

Was also tun? Ignorieren geht nicht mehr, das ist inzwischen auch der Union klar. Eine Neuausrichtung ihrer Partei lehnte CDU-Chefin Angela Merkel am Montag aber ab. "Wir sind übereingekommen, dass die beste Antwort auf die AfD natürlich die gute Arbeit ist, die wir als Regierung leisten müssen." Der Aufstieg der AfD sei indessen ein Problem aller Parteien, findet Merkel.

Die Konservativen in ihrer Partei widersprechen. Die Union habe Kernthemen wie Familie, Sicherheit und Währung "in großen Teilen dem Zeitgeist geopfert", sagte die sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Veronika Bellmann dem "Handelsblatt". Ihr Fraktionskollege Bosbach teilt die Kritik und fordert eine stärkere Fokussierung auf konservative Wähler. Die AfD sei "keine Eintagsfliege", sagte Bosbach der "Bild"-Zeitung. "Sie wird nicht von selbst aus der politischen Landschaft verschwinden."

(APA/AFP)

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