Überschriften ohne Inhalt sind noch lang keine Steuerreform

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SCHELLING(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Die jüngsten Steuervorschläge von ÖGB und ÖAAB klingen gar nicht so schlecht – hängen auf der Finanzierungsseite aber völlig in der Luft.

Jetzt liegen die ersten konkreteren Vorschläge für die Steuerreform (von ÖGB/AK und ÖAAB) vor – und sie klingen oberflächlich betrachtet gar nicht so schlecht: 5,9 bzw. 5,5Milliarden Euro jährliche Steuerentlastung, niedrigere Eingangssteuersätze, höhere Einstiegsgrenzen in den Höchsteuersatz bei der Lohnsteuer – wer sollte dagegen etwas haben?

Dass das Ganze (so, wie die vorliegenden Konzepte ausschauen) noch keine echte Steuersystemreform ist, sondern eher eine Teilrückgabe jener Beträge, die sich der Staat durch die kalte Progression in den vergangenen Jahren unter den Nagel gerissen hat – mein Gott: Wir wollen nicht beckmesserisch sein. Wenn den Leuten nach fünf Jahren permanent rückläufiger Realeinkommen (woran ausschließlich die Steuer- und Gebührenorgien der öffentlichen Hand schuld waren, die Inflation liegt ja deutlich unter den Bruttolohnerhöhungen) endlich ein paar Hunderter pro Jahr mehr netto vom Brutto bleiben, dann ist das durchaus erfreulich. Und konjunkturbelebend sowieso.

Wenn wir allerdings auf die andere Seite der Konzepte blicken, auf die sogenannte Gegenfinanzierung, dann beschleicht uns leider wieder die übliche Depression. Weit und breit nichts Neues zu sehen, außer Luftblasen und Prinzip Hoffnung. So wird das nichts. Beide Vorschläge gehen beispielsweise davon aus, dass die Reform sich zu einem guten Sechstel selbst trägt. Dadurch, dass die Leute das, was ihnen mehr im Börsel bleibt, gleich ins nächste Geschäft tragen und damit die Steuern sprudeln lassen. Sorry, aber das ist ein bisschen naiv: Wir stehen gerade am Rand einer Rezession, und der Finanzminister wird sich in nächster Zeit eher Gedanken machen müssen, wo er ein, zwei Milliarden herbekommt, die ihm in seinen auf zu optimistischen Annahmen beruhenden Budgets fehlen werden. Da wird der Spielraum überschaubar sein.

Eine weitere Milliarde will der ÖGB durch strengere Steuerbetrugsbekämpfung hereinspielen. Sehr schön, Steuerbetrug gehört mit allen Mitteln bekämpft. Aber wird er das jetzt nicht? Wenn doch, dann wird das Ziel wohl nur mit einer deutlichen Personalaufstockung bei der Finanz erreicht werden. Und dann hat man zuerst einmal Kosten, nicht Einnahmen.

Über die zwei erwarteten Milliarden bei der Vermögensteuer können Experten ohnehin nur schmunzeln. Das Ziel ist völlig unrealistisch. International ist die Grundsteuer die einzige wirklich funktionierende Vermögensteuer – und diese müsste man, um zwei Milliarden zusätzlich zu lukrieren, locker vervierfachen. Viel Vergnügen dabei.


Bleiben Reformen. Und zwar umfassende. Das ist tatsächlich der einzige Weg, um die Staatsfinanzen in Ordnung zu bringen (und eine echte Steuersenkung, ohne die die Lohnsteuerreform ja keinen Sinn hat) zu finanzieren. Die konkreten Vorschläge dafür liegen seit Langem auf dem Tisch.

Gerade was diese Reformen betrifft, bleiben beide Steuerkonzepte aber sehr unkonkret: AK/ÖGB sprechen vage von „Effizienzsteigerungen“, „Kompetenzbereinigungen“ und „Vermeidung von Doppelförderungen“. Der ÖAAB ist da noch unkonkreter und verweist auf „bereits eingesetzte Aufgaben- und Deregulierungskommissionen“.

Das war's dann wohl. Keine weiteren Fragen, Euer Ehren! Solange diese Überschriften und Schlagwörter nicht mit ganz konkreten Vorschlägen unterlegt sind, lohnt es sich gar nicht, sich damit zu befassen. Die „Beseitigung von Doppelförderungen“, die beide verlangen (in der Landwirtschaft sind das, ganz nebenbei, Vierfachförderungen), ist beispielsweise schon deshalb schwierig, weil es die Transparenzdatenbank noch nicht gibt und niemand einen Überblick hat.

Eine Steuerreform braucht zur Gegenfinanzierung eine Staatsreform, die zu einer Neuordnung des föderalen Gefüges – in welche Richtung auch immer – führt. Da hat der neue Finanzminister leider ein ganz schlechtes Signal gesetzt, als er gleich einmal nach St.Pölten gepilgert ist, statt die Landeschefs zu sich zu zitieren – und ihnen endlich ein einheitliches Rechnungswesen zu verordnen.

E-Mails an: josef.urschitz@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2014)

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