Medientage: „Kostenlos-Kultur war ein Fehler“

�STERREICHISCHE MEDIENTAGE 2014 IN WIEN: J�KEL
�STERREICHISCHE MEDIENTAGE 2014 IN WIEN: J�KEL(c) APA/HANS PUNZ (HANS PUNZ)
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Nicht nur Gruner+Jahr-Chefin Julia Jäkel hatte Spaß in Wien. Beim Auftakt der Medientage wurde viel gelacht – und das, obwohl es viele Absagen und einen Zwist rund um den Preis an Dossier gab.

„Wissen Sie eigentlich, dass bei Ihnen alles besser schmeckt?“ Die Lacher hatte Julia Jäkel mit diesem Eröffnungssager auf ihrer Seite. Noch mehr, als die Chefin des Hamburger Verlagshauses Gruner+Jahr („Stern“, „Neon“, „Geo“) den Unterschied zwischen der deutschen und der österreichischen Medienbranche so zusammenfasste: „Sie sind ein bisschen deprimierter als wir in Deutschland, aber sie haben mehr Spaß dabei.“ Und sie gab auch ein paar Antworten auf jene Fragen, die dem Publikum rund um die G+J-Tochter Verlagsgruppe News auf der Zunge lagen: „News ist uns sehr, sehr wichtig“, sagte sie. „Aber ich will nicht um den heißen Brei herumreden. Wir hatten in den letzten Jahren nicht nur Freudentränen in den Augen, wenn wir nach Wien geblickt haben.“ Umso mehr freue sie sich, mit Horst Pirker einen Verlagschef an Bord zu haben, der sich in Wien wohlfühlt und auskennt. Ein spätes Eingeständnis, man hätte nicht so viele deutsche Manager an die Spitze des „News“-Verlags setzen dürfen?

Auch ein Hinweis auf die plötzliche Absetzung des „Stern“-Chefredakteurs Dominik Wichmann fand sich in ihrem Referat. Die Rolle der Führungskräfte sei in einer Phase des Umbruchs besonders wichtig: Es brauche Chefs, „die in Veränderungen eine unternehmerische, verlegerische und persönliche Chance sehen“; die nicht verklärt zurückschauen. Deswegen habe man im letzten Jahr „Führungsteams neu zusammengestellt“. Pirker hat offenbar Glück mit seinem Team, denn er betonte, dass dort niemand Angst vor Veränderung habe. Dennoch verriet er der APA tags zuvor, dass es „personell Bewegung“ geben werde.

Einst Punkband, heute Bertelsmann

Das inoffizielle, wenn auch nicht bahnbrechend neue Motto des Tages hatte Gastgeber Jörg Manstein in seiner Eröffnungsrede gegeben: „Die Verleger müssen neue Wege gehen.“ Thomas Rabe, Vorstand von Bertelsmann (Penguin Random House, RTL, Gruner+Jahr), Julia Jäkel und Philipp Welte, Vorstand des Burda-Verlags wurden nicht müde zu betonen, wie gut ihre Konzerne bereits für den digitalen Umbruch aufgestellt sind. Rabe, in seiner Jugend Punkband-Mitglied, gab sich kritisch: Die Kostenlos-Kultur der Verlage im Netz sei ein Fehler gewesen.

Mediaplaner Peter Lammerhuber (GroupM) kritisierte die Politik: „2.342 Zeichen beziehungsweise 0,75 Prozent des Regierungsprogramms drehen sich um Medienpolitik. Das ist aus meiner Sicht ein bisserl wenig“, stellte er fest. Er vermisse eine Haltung zu medienpolitischen Themen in der Regierung. Die so Angesprochenen konnten darauf nicht reagieren, denn Medien- und Kulturminister Josef Ostermayer musste kurzfristig absagen. Er musste den Angina-geplagten Kanzler Werner Faymann vertreten. ORF-Chef Alexander Wrabetz war launig unterwegs, vielleicht lag es am Medientage-Déjà-vu, das er hatte. Es sei immer gleich: „Rudi Klausnitzer moderiert, Hans Mahr fordert eine Entfesselung der Branche, und alle fordern die Abschaffung der Werbeabgabe.“ Peter Lammerhuber solle seinen Vortrag besser nicht vor der Medienbranche, sondern „vor dem Plenum des Nationalrates“ halten. Styria-Vorstand Markus Mair hat zwar beobachtet, dass die Medien in der Politik unter „Allfälliges oder Abfälliges“ vorkommen. Er übte aber auch Selbstkritik an der Branche. Die müsse gemeinsam besser daran arbeiten, auf die politische Agenda zu kommen.

Kurzfristig abgesagt hatte übrigens auch „Heute“-Herausgeberin Eva Dichand. Vermutlich weil der Manstein-Verlag am Dienstag auch einen Zukunftspreis verlieh und zwar an die Recherche-Plattform Dossier. Für Dichand eine „Schande“ und „traurig“, wie sie in einer Aussendung sagte. „Dossier“ hat unlängst Recherchen zur Eigentümerstruktur von „Heute“ veröffentlicht. Statt Dichand nahm auf dem Podium Michael Fleischhacker Platz, der sein im Aufbau befindliches Österreich-Projekt der NZZ als „Optimismusprojekt“ bezeichnete. Die Inhalte auf NZZ.at würden jedenfalls etwas kosten, mehr wollte er noch nicht verraten. Auch Dossier startet demnächst ein Mitglieder-Digital-Abo. (awa)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.09.2014)

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