Hausgeschichten: Der Sieg der Scheune

Unaufgeregt, funktionell und dem Material verpflichtet setzen sich die „besten Häuser des Jahres“ durch. Stadel, Scheunen, Werkshallen dienen als Vorlage.

Wellblech hüllt die zwei langen, niedrigen Baukörper ein. Die Fassade geht nahtlos in das Dach über – wie eine Flugzeughaut, erklärt der „Häuser des Jahres“-Juror Wolfgang Bachmann. Große Glasflächen lassen Licht herein und kleinere Fenster scheinen hinter dem Lochblech hindurch. Die Giebelseiten sind mit Holz verschalt. Wenig lässt ahnen, dass der ursprüngliche Kern des prämierten Objekts aus den Achtzigerjahren stammt.
Der Berliner Architekt Thomas Kröger hat dieses „Haus des Jahres 2014“ in der ostdeutschen Uckermark um- und weitergeplant (Bild oben). Den „selbstbewussten, aber kritischen Regionalismus“ zeichnete die Jury aus, auch der Umgang mit dem Material hatte ihr gefallen. Hinzu kam, dass der Bauherr, ein Tischler, die Konstruktion gleich selbst vor Ort gefertigt hat. Dadurch blieb der Bau kostengünstig – eine „Low-Budget-Geschichte“, so Bachmann. Und multifunktionell: In diesem „Werkhaus“ wird mitten auf dem flachen, leeren Land gewohnt, gearbeitet und das Produzierte auch noch ausgestellt.
Seit vier Jahren werden die „Häuser des Jahres“ vom Callwey-Verlag und dem deutschen Architekturmuseum mit Unterstützung des Informations-Zentrums Beton prämiert. Unter den Einreichungen von Dänemark bis nach Südtirol setzen sich überproportional viele Objekte aus der Schweiz und aus Österreich gegenüber den vielen deutschen Beiträgen durch, erzählt Bachmann und erklärt es durchaus mit Mut: „In der Schweiz scheint man zum Beispiel keine Scheu vor Beton zu haben. Aus Österreich kommen oft interessante Holzbauten.“
Heuer waren es 255 Einfamilienhäuser aus dem erweiterten Alpenraum, aus denen die Juroren 50 ausgewählt haben. Die Objekte sind weniger repräsentativ für eine bestimmte Tendenz beim Bauen, als sie die Fülle der Möglichkeiten abbilden, in der das Küche-Bad-Schlafraum-Schema noch immer spannend variiert werden kann.

Holz, Wald, Mond

Die angegraute, sägeraue Bretterfassade, das geneigte Dach und die reduzierte Form werden einem bei modernen Architektenhäusern öfter begegnen. Auch der Bau, den Bernardo Bader an den Ortsrand von Krumbach in Vorarlberg gesetzt hat (Bild rechts unten), wirkt fast archaisch – er erlangte eine der vier „Anerkennungen“ des Award. Das lange Objekt steht unspektakulär und funktionell da wie ein Wirtschaftsgebäude. Die Idee der Tenne, in der früher Heu gelagert wurde, kommt hier zur Anwendung, nur eben als Arbeitsatelier. Baders Haus setzt Bregenzerwälder Handwerkstradition fort: Innen ist es komplett ausgekleidet mit Holz, das übrigens beim richtigen Mondstand aus dem eigenen Wald geschlagen worden ist. Kein Detail zu viel und kein Material, das übrig bleibt: Alle Stämme wurden verbaut, der Lehm vom Aushub wurde zu Ziegeln verarbeitet.


Wenn man diese „besten Einfamilienhäuser 2014“ betrachtet, fallen doch Gemeinsamkeiten ins Auge – jedenfalls die Vorlieben der Jury betreffend. Man sieht viele offene, ineinander übergehende Räume. Die zur Stereotypie neigenden weißen Boxen mit Flachdach ohne Überstand, wie sie Vorstädte und Villenviertel prägen, hingegen weniger. Vor allem der Kontext entscheidet: Was kann das ambitionierteste Architektenheim, wenn es nicht mit seinem Umfeld korrespondiert oder ein Grundstück ungünstig nützt? Archaisch oder organisch, groß oder klein, klassisch modern oder regional kritisch: Gerade die Idee des Einfamilienhauses scheint nicht ausreizbar zu sein, denn der Typus ist für vielen noch immer die beliebteste Wohnform.

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