„Gestresste Manager sind der Teufel“

Führung I. Hirnforscher Bernd Hufnagl über unsere drei Gehirnmodi, die böse Macht des dramatisierenden Worts und die Gefahr, sich Feinde in der eigenen Herde zu suchen. Von Andrea Lehky

Auf einen Blick

Die Presse: Gehirngerecht managen – was geht da in den Köpfen unserer Spitzenmanager vor?
Bernd Hufnagl: Mir fällt auf, dass immer mehr Schwierigkeiten mit der Komplexität haben. Nicht nur die Arbeitsmenge nimmt zu, auch die „Vergleichzeitigung“. Und auch die rasanten Kurswechsel bereiten vielen Managern Kopfzerbrechen.

Wie kann man denn da noch den Überblick behalten?
Das ist ja das Problem – Komplexität kann man nur managen, wenn man den Überblick hat. Das setzt voraus, dass man entspannt ist und das Gehirn sich fokussieren kann. Unser Gehirn kennt drei Betriebszustände: erstens, den Bearbeitungmodus, wenn man hochkonzentriert arbeitet. Zweitens, den Erwartungsmodus: Man spricht mit jemandem und denkt an etwas ganz Anderes. Das war sinnvoll, als noch der Säbelzahntiger im Gebüsch raschelte. Wenn Manager heute aber nicht zuhören, sondern nur so tun und dann auf vorgefasste Meinungen zurückgreifen, treffen sie die falschen Entscheidungen. Ich nenne das Executive Listening. Zwischendurch ist es okay, aber es darf nicht zum Dauermodus werden.

Und der dritte Betriebszustand?
Das ist der Offlinemodus, wenn wir sinnieren, tagträumen, im Gehirn zusammenräumen, neue Ideen haben, uns regenerieren – und den Überblick finden. Je gestresster wir sind, desto weniger gelingt uns das. Gestresste Manager sind der Teufel für die Organisation.

Nimmt die Mannschaft dem Management die vielen Kurswechsel überhaupt noch ab?
Aus der Perspektive des mittleren Managements wird immer wichtiger, dass „die da oben“ glaubwürdig sind. Ein biologischer Reflex lässt uns ständig überprüfen, ob das, was jemand tut, überhaupt mit dem übereinstimmt, was er gesagt hat. Ansonsten entstehen Neid, Missgunst und ein Feindbild. Die Formel lautet: Taten/Worte ist gleich Glaubwürdigkeit.

Ein Vorstand tut sich schwer, seine Taten sichtbar zu machen. Nur wenige sehen, was er den ganzen Tag so macht.
Das stimmt. Hier gilt die alte Formel: Tue Gutes und sprich darüber. Ganz wichtig dabei, egal für welche Botschaft: Keine dramatisierenden Worte verwenden! Dramatisiert der Vorstand, erzeugt er im mittleren Management Angst. Geben diese das ebenso dramatisierend weiter, entsteht in der Ebene darunter schon Panik.

Der Mann an der Spitze soll seine eigene Verunsicherung überspielen und Sicherheit vermitteln.
Ja. Wichtig ist auch, dass die Herde ein gemeinsames Ziel verinnerlicht hat, etwa Marktführer zu werden. Sonst ist unser Gehirn nicht in der Lage zu kooperieren. Dann sucht es sich einen Feind in der eigenen Herde.

Was ist, wenn sich Manager oder Mitarbeiter nicht mit dem Ziel identifizieren können?
Dann entstehen Opferrollen. Ein Opfer weiß immer, wer schuld ist. Und schon haben wir wieder ein Feindbild. Für den Manager, der sich nicht mit dem Ziel identifizieren kann, wird Managen zum Selbstzweck. Er beschäftigt sich dann nur mehr mit sich selbst. Systemisch ist das fatal.

Was raten Sie?
Das Topmanagement muss drei Säulen im Fokus haben. Zum einen die Bewältigbarkeit: Wenn alles digital und am Reißbrett entschieden wird, verlieren die Entscheider den Sinn dafür, was noch bewältigbar ist. Zum anderen müssen sie sicherstellen, dass Entscheidungen in der Organisation nachvollzogen werden können. Die Herde muss wissen, warum die Spitze so entschieden hat. Sie muss auch das Gefühl haben, beteiligt zu sein. Und zuletzt, so trivial es klingt: Ein Manager muss Interesse an Menschen haben. Hat er das nicht, interessiert ihn nur sein eigenes Fortkommen. Solche Egotrips beobachte ich leider häufig. Der an der Spitze muss wissen, dass es nicht um ihn geht, sondern um andere.

Der Neurobiologe Bernd Hufnagl war zehn Jahre in der Hirnforschung tätig. 2002 gründete er die Managementberatung Benefit, die sich mit Gesundheitsprävention und gehirngerechtem Arbeiten befasst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.09.2014)

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