Die Wirtschafts- und Finanzwelt in Europa reagierte erfreut auf das deutliche Nein der Schotten zur Unabhängigkeit. Nicht nur britische Bankaktien, auch spanische Anleihen waren am Freitag gefragt.
Das überraschend deutliche Nein der Schotten zur Abspaltung von Großbritannien hat für große Erleichterung in der Wirtschafts- und Finanzwelt gesorgt. Investoren, große Unternehmen und die Wirtschaftspresse in London hatten in den vergangenen Wochen vor den Folgen einer schottischen Unabhängigkeit gewarnt und vor allem die Unsicherheiten betont - etwa hinsichtlich der schottischen Währung, der Aufteilung der Erdölvorkommen in der Nordsee, der Verteilung der öffentlichen Schulden und hinsichtlich der Bestimmungen für die Unternehmen.
Das Nein begrüße die Wirtschaft nun "mit einem Seufzer der Erleichterung", erklärte der Chef des britischen Industrieverbandes, John Cridland. Die Unternehmen hätten immer daran geglaubt, "dass die Union besser ist für die Schaffung von Arbeitsplätzen und für das Wirtschaftswachstum". Laut britischem Finanzministerium hängen 270.000 Jobs in Schottland direkt vom Handel mit dem Rest Großbritanniens ab. England ist der größte Handelspartner Schottlands.
"Europäische Unternehmen können aufatmen"
Mit der Entscheidung gegen die Unabhängigkeit habe sich die schottische Bevölkerung für politische und wirtschaftliche Stabilität entschieden, erklärte der Bundesverband der Deutschen Industrie in Berlin. Schottlands Verbleib im Vereinigten Königreich sei auch ein wichtiges Signal für Europa. "Wir brauchen eine starke britische Stimme in der EU, die gemeinsam mit Deutschland für marktwirtschaftliche Prinzipien einsteht."
"Deutsche und europäische Unternehmen können aufatmen", sagte der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertags, Volker Treier, am Freitag. "Es stand mehr auf dem Spiel als der Freiheitswille der Schotten." Die wirtschaftlichen und finanzpolitischen Folgen einer Abspaltung wären unkalkulierbar gewesen und die "Auswirkungen auf die weitere notwendige europäische Integration womöglich enorm", fügte Treier hinzu. "Europa muss sich jetzt um die Bewältigung der ohnehin schon schwächelnden Konjunktur und Strukturprobleme in etlichen Euro-Zonen-Ländern kümmern."
Bankaktien gestiegen
An der Börse in London gewannen vor allem die Aktien der Royal Bank of Scotland (3,11 Prozent am Morgen) und die der Bank Lloyds (1,01 Prozent). Beide Geldinstitute haben ihren Sitz in Schottland - ihre Notfallpläne seien nicht mehr nötig, erklärten sie am Freitagmorgen. Auch der Investmentfonds Standard Life, der angekündigt hatte, die von ihm verwalteten Kundengelder im Falle einer Zustimmung nach England zu transferieren, äußerte sich erleichtert.
Am Devisenmarkt stieg das Pfund Sterling bis auf 1,6524 Dollar. Noch vergangene Woche war die britische Währung aus Furcht vor einer schottischen Unabhängigkeit auf ein Zehn-Monats-Tief von 1,6050 Dollar gefallen.
Spanische Staatsanleihen gefragt
Aber auch anderswo zeigte das Referendum Auswirkungen: So waren spanische Staatsanleihen gefragt. Viele Börsianer vermuten, dass mit dem Votum der Schotten auch Unabhängigkeitsbestrebungen im Norden der iberischen Halbinsel der Wind aus den Segeln genommen wurde. Die Ankündigung des Präsident von Katalonien, Artur Mas, er wolle für den 9. November ein Referendum über die Unabhängigkeit von Spanien gesetzlich festlegen, sorgte aber für etwas Ernüchterung. Die Staatsanleihen halbierten danach ihr Plus.
(APA/AFP/Reuters)