Siemens vor Milliardenzukauf in den USA

Siemens AG Chief Executive Officer Joe Kaeser Interview As Second Quarter Results Announced
Siemens AG Chief Executive Officer Joe Kaeser Interview As Second Quarter Results Announced(c) Bloomberg (Krisztian Bocsi)
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Der Münchner Konzern bietet sechs Milliarden Euro für die US-Firma Dresser-Rand. Die Deutschen wollen damit vom Boom in der Gas- und Ölfördertechnik profitieren.

München. Siemens-Chef Joe Kaeser trumpft mit einem der größten Zukäufe in der Unternehmensgeschichte auf. Sein Haus übernimmt für rund sechs Milliarden Euro den US-Turbinenspezialisten Dresser-Rand, wie der Konzern in der Nacht zum Montag mitteile. Die Münchner stechen damit den Schweizer Konkurrenten Sulzer im letzten Moment aus. Kaeser will mit der Akquisition vom Schiefergasboom in den USA profitieren.

Die Kosten deckt das Unternehmen zum Teil aus dem Verkauf seiner Hälfte an der Gemeinschaftsfirma Bosch Siemens Hausgeräte (BSH), die Kaeser für drei Milliarden Euro an den Stuttgarter Partner abgibt.

Siemens geriet unter Zugzwang

Lange Zeit schreckten die Münchner wegen der Bewertung von Dresser-Rand mit knapp vier Milliarden Euro noch vor einem Gebot zurück. Angesichts der Fusionspläne von Sulzer geriet Siemens unter Zugzwang. Jetzt wird der erste große Zukauf von Kaeser als Konzernchef einer der größten in der Unternehmensgeschichte. Der Niederbayer triumphiert damit auch über seinen früheren Chef Peter Löscher, der mittlerweile den Verwaltungsrat von Sulzer führt.

Dresser-Rand ergänze das bestehende Siemens-Portfolio, insbesondere für die weltweite Öl- und Gasindustrie sowie für die dezentrale Energieerzeugung, teilte Siemens mit. Das Angebot für alle Anteilsscheine beträgt 83 Dollar (64,58 Euro) je Aktie in bar. Am Freitag hatte die in New York gelistete Dresser-Rand-Aktie mit 79,91Dollar geschlossen. Der Verwaltungsrat der Amerikaner unterstützt das Barangebot einstimmig und hat den Aktionären empfohlen, es anzunehmen.

Analysten sind begeistert

Der Boom von Gas- und Ölfördertechnik in den USA war bisher weitgehend an Siemens vorbeigegangen. Um mitzuverdienen, holte Kaeser eigens die Shell-Managerin Lisa Davis ins Haus und machte sie zur Chefin der Energiesparte mit Sitz in den USA. Von Houston aus soll sie die Aufholjagd starten.

Dresser ist mit einem Jahresumsatz von drei Milliarden Dollar dabei eher ein mittelgroßer Baustein im Vergleich zum bestehenden Energietechnikgeschäft der Münchner. Im abgelaufenen Geschäftsjahr erwirtschaftete das Segment einen Umsatz von 27 Milliarden Euro. Der Bereich ist trotz guter Einnahmen das Sorgenkind des Konzerns, immer wieder verliert Siemens wegen verpatzter Projekte wie des Anschlusses von Windparks in der Nordsee viele Millionen.

Unter Analysten erntete Kaeser trotz des hohen Preises Lob. „Das wird Siemens helfen, mit einem attraktiveren Öl- und Gasgeschäft zu GE aufzuholen“, urteilte etwa Fabian Häcki von Vontobel. Erst im Frühjahr hatte Siemens das Kleinturbinengeschäft der britischen Rolls-Royce übernommen, um sich eine bessere Position mit Pipeline-Ausrüstung zu verschaffen. „Wir begrüßen die Absicht, Dresser-Rand zu kaufen, da es Siemens aus unserer Sicht hilft, sich im schwächeren Öl- und Gasgeschäft sowie US-Geschäft zu verstärken“, erklärte DZ-Bank-Analyst Jasko Terzic.

Die Kollegen von der LBBW wiesen darauf hin, dass sich Siemens nach dem gescheiterten Werben um die Energiesparte des französischen Industriekonzerns Alstom die Akquisition mühelos leisten könne. Abgesehen vom Preis sei Dresser-Rand seit Längerem ein Übernahmeziel, hieß es im Siemens-Umfeld. Der Konzern geht davon aus, dass die Dresser-Rand-Übernahme bis zum Sommer 2015 unter Dach und Fach ist. Siemens-Aktien gaben am Montag ein Prozent nach, die Titel der unterlegenen Sulzer um fünf Prozent.

Mit dem Verkauf der Hausgerätesparte an Bosch gibt Siemens sein Geschäft mit Privatkunden nun restlos auf. Bosch kann aber noch mehrere Jahre den etablierten Markennamen Siemens für Waschmaschinen, Backöfen und Bügeleisen nutzen. Die Transaktion soll voraussichtlich im ersten Kalenderhalbjahr 2015 abgeschlossen werden. (APA/Reuters)

AUF EINEN BLICK

Siemens steht vor der Übernahme von Dresser-Rand. Der US-Kompressorenhersteller zählt zu den großen Ausrüstern für die Öl-, Gas- und Energieindustrie. Das Unternehmen aus Texas erwirtschaftete im vergangenen Jahr mit etwa 8100 Mitarbeitern einen Umsatz von 3,03 Milliarden Dollar (2,36 Mrd. Euro). Die Wurzeln des Maschinenbaukonzerns reichen bis in das Jahr 1840 zurück. Dresser-Rand hat Produktionsstätten in den USA, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Norwegen und Indien. Die Firma ist an der New Yorker Börse NYSE gelistet.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2014)

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