Haushalt: EU kann Rechnungen nicht bezahlen

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Seit 2011 schiebt die Kommission unbezahlte Rechnungen von einem Jahresetat in den nächsten. Die Finanzierungslücke ist mittlerweile auf 26 Milliarden Euro angewachsen.

Brüssel. Mit dem leidigen Thema EU-Budget sollte eigentlich seit gut eineinhalb Jahren Ruhe sein – beim EU-Gipfel im Februar 2013 hatten sich die Staats- und Regierungschefs der Union bekanntlich auf den Finanzrahmen für den Zeitraum 2014 bis 2020 geeinigt. Dieser sieht vor, mit wie viel Geld die EU und ihre Institutionen jährlich auskommen müssen – damals war es den Regierungen der EU gelungen, gegen den Willen der EU-Kommission und des Europaparlaments ein „Sparbudget“ von 960 Milliarden Euro (sogenannte Zahlungsverpflichtungen) durchzusetzen, was knapp 910 Milliarden Euro an tatsächlichen Zahlungen entspricht – ein Minus von 3,5 Prozent gegenüber der Finanzperiode 2007–2013.

Die Brüsseler Behörde, die im Vorfeld einen Sieben-Jahres-Plan im Umfang von 1045 Mrd. Euro gefordert hatte, musste den Kürzeren ziehen, während die Europaabgeordneten mit der Zusage an Bord geholt wurden, die vorhandenen Geldmittel flexibler nutzen zu können, als das bis dato der Fall war.

Wer allerdings gedacht hatte, der Haushalt der Union ist für die kommenden fünf Jahre auf Schiene, wurde enttäuscht. Am gestrigen Mittwoch traf der interimistische EU-Budgetkommissar Jacek Dominik mit Vertretern von Rat und Europaparlament zu seiner Krisensitzung zusammen, um „die Zahlen auf den Tisch zu legen“, wie es Kommissionssprecher Patrizio Fiorilli formulierte.

Der Grund: Auf Papier ist das Budget zwar wasserdicht, doch in der Praxis hat die Kommission mit einem immer größeren Budgetloch zu kämpfen. Im Etat für das laufende Jahr beläuft sich der Fehlbetrag auf 26 Milliarden Euro, was rund einem Fünftel des Gesamtbudgets entspricht. Detail am Rande: Gemäß EU-Verträgen muss die Union ausgeglichen budgetieren – ein Defizit, wie es bei den Mitgliedstaaten der Normalfall ist, kommt somit nicht infrage.

Kohäsionspolitik betroffen

Wenn aber das Geld trotzdem nicht ausreicht, gibt es de facto nur eine Möglichkeit – die anstehenden Verbindlichkeiten ins nächste Budget zu schichten. Genau dieser budgetäre Schneeballeffekt beschäftigt nun Kommissar Dominik – so wurden 2011 unbezahlte Rechnungen im Umfang von elf Mrd. Euro ins Budget 2012 verfrachtet, ein Jahr später waren es bereits 16 Milliarden, und 2013 wurden 26 Milliarden Euro ins Budget des laufenden Jahres geschummelt.

Wie viele unbezahlte Rechnungen in den EU-Haushalt 2015 verschoben werden, sei schwierig vorherzusagen, hieß es aus Kommissionskreisen. Den Löwenanteil der bestehenden Finanzlücke machen jedenfalls mit 23,4 Mrd. Euro Rückstände in der Kohäsionspolitik aus – also Ausgaben für die Förderung wirtschaftlich schwächerer Regionen. Allerdings könnte das Loch noch tiefer sein, denn die vorliegenden Zahlen beruhen auf Angaben der EU-Staaten und seien noch nicht endgültig, wie es aus der Kommission hieß.

Mehrjährige Projekte

Zwei Faktoren dürften für dieses Finanzloch verantwortlich sein: Erstens gibt es aus der Finanzperiode 2007–2013 immer noch offene Rechnungen, da viele geförderte Projekte mehrjährige Laufzeiten haben. Und zweitens dürfte der 2013 beschlossene Finanzrahmen zur aktuellen Geldknappheit beigetragen haben, denn für 2014 und 2015 wurde darin weniger Geld vorgesehen, als noch 2013 zur Verfügung gestanden war.

Die Brüsseler Behörde hofft auf eine Einigung mit dem Rat, der allerdings nach wie vor auf Sparprogramm geschaltet ist und den Budgetentwurf 2015 der Kommission um rund zwei Milliarden Euro kürzen will – unter anderem bei der Außenpolitik. Im Europaparlament, das gemeinsam mit dem Rat über den EU-Etat befindet, dürfte Budgetkommissar Dominik jedenfalls auf offenere Ohren stoßen. Von einer „verheerenden Zahlungsmoral der Mitgliedsländer“ sprach gestern die grüne Europaabgeordnete Monika Vana, die für ihre Partei im Budgetausschuss des Parlaments sitzt, in einer Aussendung. „Mit dem ständigen Vor-sich-Herschieben des Zahlungsbergs steht vor allem auch die Glaubwürdigkeit der EU auf dem Spiel.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2014)

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