"Archimedes": Europol gelingt Schlag gegen Schlepperbanden

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EU. Erfolgreiche polizeiliche Zusammenarbeit, aber immer noch keine Einigkeit bei gemeinsamer Asylpolitik.

Wien. Es ist die bisher größte europaweite Aktion gegen internationale Schlepperbanden: Die „Operation Archimedes“. Mehr als 1000 Personen wurden seit dem 15. September festgenommen, berichtete die europäische Polizeibehörde am Mittwoch – die meisten davon im Mittelmeerraum und in Osteuropa. Doch auch in Österreich war die Exekutive erfolgreich, erwischte 13 Schlepper und griff 35 geschleppte Personen auf. „Die Operation Archimedes ist ein Meilenstein im Versuch der Exekutive, eine konzertierte Aktion gegen das organisierte Verbrechen zu setzen“, erklärte Europol-Direktor Rob Wainwright zufrieden. Er erwartet weitere Festnahmen in den nächsten Wochen.

Der Erfolg der gemeinsamen Aktion aller 28 EU-Mitgliedstaaten sowie der USA, Australiens, Kolumbiens, der Schweiz, Norwegens und Serbiens offenbart, dass eine engere, länderübergreifende Zusammenarbeit auch in anderen Fragen der Migrationspolitik dringend vonnöten wäre. Die Bereitschaft dazu aber hält sich bisher in engen Grenzen, was auch bei der gestrigen Debatte zum Jahresbericht 2013 der Kommission über Einwanderung und Asyl im Innenausschuss des EU-Parlaments deutlich wurde.

Um 100.000 Asylanträge mehr als 2012

Zwar plädieren Vertreter nördlicher Mitgliedstaaten dafür, ein gerechtes Quotensystem zur Aufnahme von Migranten einzuführen. Damit aber würde nicht etwa der Süden Europas, wo die meisten Flüchtlinge stranden, entlastet, sondern Länder wie Österreich und Deutschland, die nach Bevölkerungszahl zu den größten Aufnahmeländern zählen. Wien und Berlin beschuldigen die Regierung in Rom, einen Bruch des Dublin-II-Abkommens zu begehen, wonach jenes Land für einen Flüchtling zuständig ist, in dem dieser zum ersten Mal europäischen Boden betritt: Italien, so heißt es hinter vorgehaltener Hand, würde die Flüchtlinge stattdessen einfach nach Norden weiterziehen lassen. Dass sich das Problem keineswegs von selbst lösen wird, zeigen die aktuellen Zahlen aus dem Kommissionsbericht: Im Jahr 2013 betrug die Gesamtzahl der Asylanträge etwa 435.000 – das sind um rund 100.000 Anträge mehr als im Jahr zuvor. Grund für den starken Anstieg war insbesondere der syrische Bürgerkrieg, vor dem bis Anfang 2014 bereits 2,3 Millionen Menschen geflohen sind – der überwiegende Teil von ihnen in den Libanon, die Türkei, nach Jordanien, in den Irak und Ägypten. Syrer stellten 2013 aber auch in der EU mit insgesamt 50.435 Personen die größte Asylwerbergruppe dar (zwölf Prozent aller Bewerber). Andere wichtige Herkunftsländer waren laut Bericht Russland, Afghanistan, Serbien, Pakistan und der Kosovo. Etwa einem Viertel aller Asylwerber – 112.730 Personen – wurde in erster Instanz Schutz gewährt: Sie erhielten den Flüchtlingsstatus, subsidiären Schutz oder Schutz aus humanitären Gründen. Gleichzeitig wurde in den zwölf Monaten des Jahres 2013 insgesamt 317.840 Personen die Einreise in die EU verweigert. 77.140 Personen wurden beim illegalen Überschreiten der EU-Grenze aufgegriffen – der Großteil davon an Italiens Südküste.

Flüchtlingsstrom reißt nicht ab

Vor allem die letzte Zahl aber liest sich im Vergleich zum heurigen Jahr gering: Seit 1.Jänner sind bereits mehr als 130.000 Flüchtlinge über den Seeweg im Land eingetroffen, wie der römische Bürgermeister, Ignazio Marino, erklärte. Und der Strom reißt nicht ab: Nicht nur der Bürgerkrieg in Syrien, sondern auch die eskalierende Gewalt im Irak durch die Terrormilizen des Islamischen Staats (IS) dürften zur Verschärfung der Lage an Europas Außengrenzen beigetragen haben. Zur Unterstützung Italiens beim Umgang mit den Mittelmeerflüchtlingen will die Kommission nun eine neue Grenzschutzmission in die Wege leiten. Die Operation „Frontex Plus“ unter dem Dach der EU-Grenzschutzagentur Frontex soll die italienische Kontroll- und Rettungsmission „Mare Nostrum“ – sie kostet das Land etwa zehn Millionen Euro im Monat – ergänzen. Die Finanzierung und der Umfang von „Frontex Plus“ aber sind noch unklar, da es an den Mitgliedstaaten liegt, Material und Personal dafür bereitzustellen. (aga/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2014)

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