Asyl: Quoten für die Gemeinden

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Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) will die Betreuungsquoten für Flüchtlinge auf die Gemeinden herunterrechnen: Pro 266 Einwohnern soll ein Asylwerber aufgenommen werden.

Wien. Situationen wie diese will Johanna Mikl-Leitner in Zukunft tunlichst vermeiden: Rund 2000 Flüchtlinge schlafen derzeit in Speise- oder Turnsälen von Bundeseinrichtungen, weil es nicht genügend Unterkünfte in den Ländern gibt. Und selbst diese Notquartiere werden knapp: „Bereits Ende dieser Woche haben wir keine Kapazitäten mehr“, warnt die Innenministerin im Gespräch mit der „Presse“. Jetzt seien die Länder gefragt – und zwar dringend.

Gestern, Mittwoch, wiederholte Mikl-Leitner den Appell auch bei der Konferenz der Flüchtlingsreferenten in Kärnten. Die Ministerin stellte aber auch ihr Konzept für eine Reform des Asylwesens vor. Drei Bereiche will sie grundlegend ändern. Die Idee dahinter: Länder und Gemeinden sollen sich nicht mehr aus der Verantwortung stehlen können – und der Bund besser auf Flüchtlingswellen vorbereitet sein.

•Eines der größten Probleme war bisher, dass sich die Bundesländer nicht an die vereinbarte Betreuungsquote von Flüchtlingen hielten. Und das lag wiederum (unter anderem) daran, dass sich nicht genügend Ortschaften bereit erklärten, Flüchtlinge aufzunehmen – vor allem aus politischen Gründen. Genau hier will Mikl-Leitner nun ansetzen: Die Quoten könnten auf die Gemeinden heruntergerechnet werden. Nach dem heutigen Stand müsste es in einer Gemeinde pro 266 Einwohnern einen Asylwerber geben. Wobei „Gemeinden mit weniger als 150 Einwohnern außer Acht gelassen“ werden könnten, heißt es in dem Reformpapier. Derzeit gäbe es bei der Betreuung ein Ungleichgewicht, sagt Mikl-Leitner: Von 2300 Gemeinden würden österreichweit nur 515 davon Quartiere für Flüchtlinge anbieten. Ob in Zukunft die Unterkünfte von NGOs, Privatpersonen oder von der öffentlichen Hand angeboten würden, sei laut Innenressort nicht wichtig. Hauptsache, man hält sich an die Quote.


•Dass die Flüchtlinge fair auf die Bundesländer verteilt werden, soll aber schon einen Schritt vorher erreicht werden. Die beiden Erstaufnahmezentren in Traiskirchen (Niederösterreich) und Thalham (Oberösterreich), die chronisch überfüllt sind, könnten in ihrer jetzigen Form aufgelassen werden. Stattdessen will das Innenressort in jedem Bundesland sogenannte Verteilungsquartiere errichten – mit Kapazitäten von 120 bis zu 200 Betten. Wird ein Asylsuchender etwa in Kärnten aufgegriffen – bzw. meldet sich ein Flüchtling dort bei den Behörden – und wird sein Antrag auf Asyl auch zugelassen, soll er im Bundesland bleiben. Die Aufnahme der Daten bzw. die medizinische Untersuchung erfolgt direkt in den Verteilungsquartieren. Unnötige Transporte werden so vermieden. Ist die Erstprüfung erledigt, kann der Asylwerber von der Bundeseinrichtung in eine Landeseinrichtung übernommen werden. In Traiskirchen und Thalham sollen in Zukunft nur noch jene Menschen kurzfristig untergebracht werden, deren Antrag auf Asyl nicht zugelassen wird. Etwa Dublin-II-Fälle, also Personen, die über ein sicheres EU-Land nach Österreich gekommen sind.

•Die Entscheidung, ob ein Antrag auf Asyl zugelassen ist oder nicht, soll in Zukunft innerhalb von 48 Stunden gefällt werden – und nicht, wie bisher, innerhalb von drei Wochen. Auch hier soll die Prüfung vor Ort helfen: Das Innenministerium will, dass ein Journaldienst des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl direkt in den Ländern klärt, ob ein Asylantrag zugelassen wird oder nicht – auch dies fand bisher in Thalham oder Traiskirchen statt.

•Sollte es dennoch zu Engpässen bei Unterkünften kommen, will Mikl-Leitner sichergehen: In ihrem Reformpapier plädiert sie dafür, dass Bund und Länder einen Notfallplan ausarbeiten. In besonderen Fällen soll es möglich sein, Flüchtlinge in bestimmten Gebäuden unterbringen zu können. „Bislang stehen solchen Vorhaben Flächenwidmungen und Bauordnungen entgegen“, meint sie. Das soll sich in Zukunft ändern.

Und was sagen die übrigen Beteiligten – also Länder und Gemeinden – zu den Plänen? Die wollen darüber verhandeln – immerhin. Am 19. Oktober treffen sich die Flüchtlingsreferenten zu einem weiteren Gipfel, um die Pläne im Detail zu besprechen. Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes, will sich in den nächsten Tagen mit Mikl-Leitner treffen.

„Man kann über diese Vorschläge reden, aber wir haben auch Wünsche“, sagt er zur „Presse“. Zum Beispiel eine bessere Kommunikation zwischen Bund und Gemeinden. Oder aber auch mehr Geld für die Unterbringung von Flüchtlingen. Bis zum Sommer 2015 will Mikl-Leitner ihre Reform jedenfalls umsetzen. Kurzfristig muss sie aber noch über weitere Notquartiere verhandeln.

Weitere Infos:www.diepresse.com/asyl

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.09.2014)

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