Industrie peilt 15 Mrd. Entlastung an

IV-Präsident Georg Kapsch präsentiert die Pläne der Industrie.
IV-Präsident Georg Kapsch präsentiert die Pläne der Industrie.APA/HERBERT PFARRHOFER
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Die Industriellenvereinigung will Lohnnebenkosten und die Steuern für niedrige Einkommen senken. Das soll rund 15. Mrd Euro bringen. Zur Finanzierung soll der Staat sparen.

Wien. An den Anfang ihres neuen Steuervorschlags für Österreich stellt die Industriellenvereinigung (IV) ein paar bedenkliche Zahlen: 140-mal sei das Einkommensteuergesetz seit 1988 schon novelliert worden. Unternehmen müssten 263unterschiedliche Bestimmungen beachten – die auf mehr als 2000 Seiten erörtert würden. Kurz: Das heimische Steuersystem ist aus Sicht der IV zu kompliziert, verursacht zu viel Verwaltungsaufwand und frisst vor allem zu viel Geld. Mit 45,3 Prozent hätte Österreich die achthöchste Abgabenquote weltweit. Und bei den Staatsausgaben, die ja über Steuern, Abgaben (und Schulden) zu finanzieren sind, liege Österreich im globalen Vergleich sogar auf Platz sieben.

Deswegen gibt sich die IV betont ambitioniert und verspricht in ihrem Konzept eine Steuer- und Abgabenentlastung von rund 15Mrd. Euro – also fast das Dreifache der Summe, die Gewerkschaft, Arbeiterkammer und ÖAAB in ihren Konzepten in Aussicht stellen. Hauptpunkte des IV-Papiers sind eine Reform von Lohn- und Einkommensteuer, die rund zehn Mrd. Euro Entlastung bringen soll – sowie eine Senkung der Lohnnebenkosten um 4,7 Mrd. Euro.

Wie schon ÖGB, AK und ÖAAB sieht auch die IV in den hohen Kosten des Faktors Arbeit das Hauptproblem. Dies sei der „Kernhebel“ für mehr Wachstum und zur Sicherung der Arbeitsplätze, sagte IV-Präsident Georg Kapsch bei der Präsentation des Vorschlags. „Österreich braucht ein schlankes, effizientes Steuersystem. Den Menschen muss endlich mehr Netto bleiben“, sagte Kapsch. Wie der ÖGB will auch die IV mehr Stufen in das bisher dreistufige System einziehen – allerdings fünf statt sechs.

39 Prozent zahlen keine Steuer

Die IV will künftig die Begünstigung des 13. und 14. Monatsgehalts in den Steuertarif einrechnen. Zur Einbeziehung der Niedrigverdiener sieht das Konzept vor, die derzeitige Steuerfreigrenze von 11.000 Euro auf 9780 Euro zu senken. Derzeit würden 2,6 Millionen Menschen, also rund 39 Prozent aller Einkommensbezieher, gar keine Steuern zahlen. In Deutschland beginne die Steuerpflicht schon jetzt bei rund 8000 Euro, in Spanien sogar bei 5000 Euro, so die IV.

Sie will Niedrigverdiener durch eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel von derzeit zehn auf fünf Prozent entlasten. Außerdem sollen niedrige Gehälter deutlich weniger besteuert werden. Die erste Steuerstufe soll von derzeit 32,1 Prozent auf zehn Prozent gesenkt werden. Der Spitzensteuersatz von derzeit 50 Prozent (43,75Prozent bei Einbeziehung von 13./14. Gehalt) soll beibehalten werden, aber erst ab 100.000 Euro Jahresgehalt gelten.

Der zweite wichtige Pfeiler im Konzept der Industriellenvereinigung ist die Reduktion der Lohnnebenkosten. Insgesamt will sie hier eine Entlastung von 4,7 Mrd. Euro erzielen – und zwar durch die Senkung des Beitrags zum Familienlastenausgleichfonds von 4,5 auf drei Prozent (1,8 Mrd. Euro), die Streichung des Wohnbauförderungsbeitrags (940 Mio.), die Reduktion der Kommunalsteuer von drei auf zwei Prozent (920 Mio.) und die Senkung des Dienstgeberbeitrags zur Unfallversicherung um drei Zehntelprozentpunkte (332Mio.). Diese Entlastungen für Unternehmen sollen auch „wachstumsfördernde Impulse“ bringen.

Vermögenssteuern abgelehnt

Stellt sich die Frage der Finanzierung. Die vom ÖGB geforderten Vermögenssteuern seien für die Industrie „absolut undenkbar“, so Kapsch: „Sie bremsen Wachstum, bestrafen Investoren und kosten Jobs. “ Stattdessen setzt die IV in ihrem Konzept auf Einsparungen und Reformen. Man müsse den Staat zwingen, Restrukturierungsmaßnahmen zu ergreifen.

Jeweils Einsparungen in Höhe von 1,5 Prozent des Bruttoinlandprodukts bzw. rund 4,9 Mrd. Euro erwartet die IV von Reformen bei den Pensionen sowie im Verwaltungsbereich. Im Gesundheitsbereich sollen vor allem durch Bürokratieabbau weitere 1,6 Mrd. Euro (0,5 Prozent des BIP) eingespart werden. Und rund 1,6 Mrd. Euro durch Einsparungen bei Förderungen und Subventionen. (jil/APA)

(c) Die Presse

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2014)

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